Zum Inhalt springen

Explosion in Beirut Botschafterin: «Stehe immer noch unter Schock»

Die Schweizer Botschafterin Monika Schmutz Kirgöz wurde in Beirut verletzt. Sie schildert die dramatischen Momente.

Die Schweizer Botschafterin in Libanon hat die Explosion in Beirut hautnah miterlebt. Monika Schmutz wurde selber auch leicht verletzt. Im Interview schildert sie, wie sie die Katastrophe erlebt hat und erklärt, wie die Schweiz den Libanesinnen und Libanesen in Not helfen will.

Monika Schmutz Kirgöz

Botschafterin

Personen-Box aufklappen Personen-Box zuklappen

Nach dem Studium der Politikwissenschaft an der Universität Lausanne doktorierte Monika Schmutz Kirgöz in Entwicklungsökonomie am NADEL Zentrum für Entwicklung und Zusammenarbeit der ETH Zürich. Seit 1996 arbeitet sie im EDA und ist seit August 2017 Schweizer Botschafterin in Libanon mit Sitz in Beirut.

SRF News: Wie geht es Ihnen, nachdem Sie am Dienstag bei der Explosion verletzt wurden?

Monika Schmutz: Vielen Dank, es geht mir den Umständen entsprechend sehr gut. Ich hatte grosses Glück und ich bin dankbar, dass ich mit Verletzungen an den Beinen davongekommen bin. Gleichzeitig stehe ich immer noch unter Schock.

Das alles ist sehr schwer zu verdauen.

Die Zahl der Todesopfer und Verletzten in Beirut steigt derweil weiter an. Wir haben selber viele Leute in unserem Umkreis verloren, darunter sind auch Diplomatinnen und Diplomaten anderer Staaten. Das alles ist sehr schwer zu verdauen.

Ich war in meinem Büro hoch oben im Gebäude. Die Botschaft befindet sich im 14. und 15. Stock. Bei der Explosion flog alles raus, was rausfliegen konnte. Es gibt keine Fenster und Türen mehr. Ich sass zuvor am Pult und habe mich danach in einer Ecke meines Büros wiedergefunden.

Ich kann mich bloss an die unglaubliche Wucht der Explosion erinnern.

Ich wurde wohl ein paar Meter weit durch die Luft geschleudert, kann mich daran aber nicht mehr erinnern. Ich kann mich bloss an diese unglaubliche Wucht der Explosion erinnern. Alle, die dies erlebt haben, werden sich wohl noch länger mit dem Trauma beschäftigen müssen.

Hochhaus mit beschädigten Fenstern.
Legende: Die Schweizer Botschaft ist derzeit in der Wohnung eines Mitarbeiters eingerichtet, im 9. Stock ohne Lift. SRF/Susanne Brunner

Jetzt sitzen sie schon wieder hier. Woran arbeiten sie jetzt?

Wir waren fast durchgehend operationell. Wir hatten das grosse Glück, dass niemand aus unserem Team und keine Familienangehörigen verletzt wurden. Die Botschaft befindet sich jetzt an einem alternativen Standort und wir arbeiten im Krisenmodus rund um die Uhr. Bis anhin wissen wir auch von keinen Schweizerinnen oder Schweizern, die bei der Explosion verletzt worden wären.

Mehr als 150 Todesopfer

Box aufklappen Box zuklappen

Drei Tage nach der verheerenden Explosion im Hafen Beiruts ist die Zahl der bestätigten Todesopfer auf mindestens 154 gestiegen. Noch immer werden aber viele Menschen vermisst. Rund 5000 Menschen wurden verletzt.

Die Zahl der Toten könnte weiter steigen, weil noch viele Schwerverletzte auf der Intensivstation um ihr Leben kämpfen, hiess es vom libanesischen Gesundheitsministerium. Bis zu 300'000 Menschen sind obdachlos.

Vereinzelt wird im Libanon jetzt öffentlich auch nach der Verantwortung der einflussreichen schiitischen Hisbollah für die Explosion gefragt. Die irantreue Organisation ist an der Regierung beteiligt und bildet in Libanon einen Staat im Staate. Ihre Macht sehen viele als unantastbar. Der Bruder von Ex-Regierungschef Saad Hariri, Baha Hariri, sagte nach Angaben lokaler Medien, die Hisbollah kontrolliere den Beiruter Hafen. Nichts komme dort ohne sie hinein und hinaus.

Was tut die Schweiz jetzt, um den Menschen in diesem Chaos hier zu helfen?

Schon vor der Katastrophe war die Schweiz eines der wichtigsten Geberländer in Libanon. Und unmittelbar nach der Explosion kündigte Bundesrat Ignazio Cassis an, dass die Schweiz helfen und die Libanesinnen und Libanesen nicht im Stich lassen werde.

Ein Schweizer Expertenteam klärt die Bedürfnisse der Bevölkerung ab.

Seit Donnerstag sind zehn Expertinnen und Experten aus der Schweiz in Beirut, die unter anderem die Bedürfnisse der Bevölkerung abklären. Bis zu 300'000 Menschen sind ohne Obdach. Diese Leute müssen jetzt unterstützt werden. Wir haben auch Geld ans libanesische Rote Kreuz überwiesen.

Ich kann Ihnen versichern, dass das grosse Engagement der Schweiz schon vor der Explosion nie an Regierungsstellen ging. Und wir werden auch weiterhin den Fokus auf die notleidende Bevölkerung legen.

Das Gespräch führte Susanne Brunner.

Rendez-vous, 7.8.2020, 12.30 Uhr ; 

Meistgelesene Artikel