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Falsche Wetterprognose Ungarn: Wenn schönes Wetter am Nationalfeiertag ein Problem ist

Das ungarische Wetteramt hatte am Nationalfeiertag, am 20. August, Stürme vorausgesagt. Das Feuerwerk wurde abgesagt, das Wetter blieb aber schön. Jetzt sind die Chefin des Wetteramts und ihr Stellvertreter entlassen worden.

Der 20. August ist der wichtigste Feiertag in Ungarn, der Tag, an dem der Staatsgründer, der Heilige Stephan, gefeiert wird. Ungarns Regierung, die das «Ungarentum» hochhält, wollte an diesem Tag das «grösste Feuerwerk Europas» zünden lassen. Und wenn der ungarische Regierungschef Viktor Orban etwas ankündigt, dann macht er es auch – oder er hegt und pflegt zumindest das Image eines starken Mannes, der sich durchsetzt und Dinge einfach tut.

Petition hat das Feuerwerk nicht verhindert

Dass 100'000 Ungarinnen und Ungarn eine Petition unterschrieben, mit der sie das Feuerwerk verhindern wollten – grössenwahnsinnig sei es in einer Zeit des Kriegs in Europa, der knappen Energie und der steigenden Preise –, das interessierte Orbans Regierung nicht.

Dass der Wetterdienst für den Abend des 20. August starke Stürme voraussagte, das konnte die Regierung aber nicht ignorieren. Denn 2006 hatte es am Nationalfeiertag ein nicht vorausgesagtes Gewitter gegeben. In der Massenpanik unter den Zuschauern des Feuerwerks kamen fünf Menschen ums Leben, Hunderte wurden verletzt.

Wie es ihr gefällt

Doch das Wetter hielt sich nicht an die Prognosen, alles blieb ruhig. Und Viktor Orbans Regierung nimmt es nicht gerne hin, wenn sich jemand nicht an die Vorstellung hält, die sie sich von der Welt macht. Die Chefin des Wetteramts und ihr Stellvertreter mussten gehen – obwohl das Amt immer gesagt hatte, dass es auch eine 25-prozentige Chance auf schönes Wetter gebe.

Die Farben der ungarischen Flagge beleuchten das Parlamentsgebäude in Budapest anlässlich des Nationalfeiertags.
Legende: Die Farben der ungarischen Flagge beleuchten das Parlamentsgebäude in Budapest anlässlich des Nationalfeiertags. Keystone/Peter Lakatos/MTI via AP

Nein, die ungarische Regierung versucht, sich die Welt so zu machen, wie es ihr gefällt. Wenn es während der Pandemie Berichte über schlimme Zustände in den Spitälern gibt, lässt man halt Journalistinnen nicht mehr rein. Wenn die Lehrer sagen, sie arbeiteten zu viel und verdienten zu wenig, dann verbietet man ihnen das Streiken. Wenn im Nachbarland Ukraine Krieg herrscht, regiert man per Notrecht, um das Parlament ganz zu umgehen.

Das lässt tief in die ungarische Seele blicken

Beklagenswert wenig Demokratie? Das mag man sehen, wie man will. Auf jeden Fall schätzen die meisten Ungarinnen und Ungarn Orbans Regierung dafür, dass sie Dinge einfach tut und nicht lange fackelt. Dafür, dass sie das Ungarentum hochhält und verteidigt. Ungarentum, das heisst auch: Ungarn ist eine ganz besondere Insel im europäischen Meer, man weiss nicht, woher seine Sprache, seine Menschen kommen. Deshalb versteht sie niemand von ausserhalb. Und deshalb lässt Europa sie immer wieder im Stich, sei es gegen die Mongolen, die Türken, die Habsburger…

Nur Viktor Orban, so denken viele Menschen, verteidigt das Ungarentum. Gegen aussen und sogar gegen die Elemente. Und die hochnäsigen Städter aus Budapest, die die Reaktion aufs schöne Wetter am Nationalfeiertag absurd finden, denken viele Menschen, die haben sich halt einlullen lassen von den falschen Einflüssen, in Brüssel oder sonst irgendwo. Der Sturm im Wetteramt nach dem abgesagten Feuerwerk lässt tief in die ungarische Seele blicken.

News Plus, 23.8.2022, 16 Uhr

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