Ein französischer Reiseveranstalter bietet im April eine zehntägige Reise durch das Bürgerkriegsland Syrien an. Diese Nachricht sorgt für Aufhorchen in Frankreich. Das Aussenministerium kritisiert die Firma, Syrien sei zu gefährlich. Das Reisebüro entgegnet, man bereise nur Gebiete, die sicher seien – unter anderem die Stadt Homs. Die Zerstörung durch den Krieg ist dort gross, auch wenn das syrische Regime inzwischen die Stadt wieder unter Kontrolle hat. Inga Rogg kennt Syrien gut. Sie berichtet für die NZZ über die Region.
SRF News: Kann der Besuch von Syrien wirklich eine Reise sein, oder ist das nicht eher Krisentourismus?
Inga Rogg: Der Reiseveranstalter versucht den Eindruck zu erwecken, es sei heute wieder ganz normaler Kulturtourismus möglich und wirbt mit der grossen alten Kultur des Landes. Die gibt es zweifelsohne. Aber man darf nicht vergessen: Das Land ist im Krieg, die Hälfte der Bevölkerung wurde vertrieben oder musste fliehen. Zum Teil sind ganze Städte zerstört. Von ganz normalem Kulturtourismus wie es der Veranstalter behauptet kann also sicher nicht die Rede sein.
Wenn man sich aktuelle Bilder aus Homs anschaut, sieht man eine Stadt, die vom Krieg gezeichnet ist. Was erwartet denn Kulturtouristen dort? Gibt es etwas zu sehen ausser Zerstörung?
Manche Touristen zieht ja die Zerstörung an. Ein Drittel der Stadt ungefähr ist zerstört. Das waren die ehemaligen Rebellengebiete, die gnadenlos zusammen gebombt wurden. Aber der Rest der Stadt, ein Grossteil, ist weiterhin intakt.
Können die Menschen in Syrien vom Tourismus profitieren?
Die Hotels sicher. Ausländer zahlen zum Beispiel für eine Übernachtung doppelt so viel wie Einheimische. Auch die Restaurants oder die Geschäfte, in denen Touristen einkaufen. Aber das ist sicher nicht die grosse Einnahmequelle, die jetzt der Wirtschaft in Syrien wieder auf die Beine hilft.
Sie kennen Syrien gut. Wie kommt das denn nun in Homs an, wenn plötzlich westliche Touristen auftauchen?
Schwer zu sagen. Man muss sicher im Kopf behalten, dass die Menschen dort nicht offen reden können. Denn die Orte, wo die Touristen hinkommen, werden vom Regime kontrolliert. Da wird sich jeder hüten, etwas Kritisches über das Regime zu sagen. Ich kann mir aber durchaus vorstellen, dass Menschen sich darüber freuen, wieder Europäer oder Schweizer zu sehen, weil es ihnen ein Stück Normalität zurückbringt.
Das Regime kann demonstrieren: Da, wo wir die Terroristen geschlagen haben, da herrscht Normalität, da kann man wieder reisen.
Die Reisenden bringen Geld mit, sie bringen Devisen mit nach Syrien. Müssen sie, zumindest indirekt, damit rechnen, eine Konfliktpartei zu unterstützen?
Ich denke, dass Geld und Devisen gar nicht so das Wichtigste sind für das Regime. Das ist eher ein Nebenprodukt. Dazu ist dieses Segment des Tourismus viel zu klein. Aber das Regime erhofft sich damit sicher einen Imagegewinn. Es kann demonstrieren: Da, wo wir die Terroristen geschlagen haben, da herrscht Normalität, da kann man wieder reisen. Da kann man ausgehen, da kann man ins Restaurant gehen. Ich glaube, es ist das, was sich das Regime von solchen Reisen verspricht.
Ist Syrien eine Reisedestination?
Also wenn man sich anguckt, was Reisende in diversen Blogs schreiben, dann sind es unterschiedliche Motivationen, die sie antreiben. Es gibt jene, die einfach diesen Kitzel suchen, in ein Krisengebiet zu reisen. Und dann gibt es auch andere, die sich dieser moralischen Frage stellen: Kann man überhaupt in ein solches Land wie Syrien reisen? Was man aber im Kopf behalten muss: Vor Reisen nach Syrien wird gewarnt. Es gibt Entführungen. Es kann passieren, dass Personen verschwinden und dann die jeweilige Regierung des Heimatlandes lange nicht darüber informiert wird.
Das Gespräch führte Joël Hafner.