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«Fieldlab»-Studie Ohne Maske ins Theater – im Namen der Wissenschaft

In den Niederlanden können negativ auf Corona getestete Personen an aufschlussreichen Massenexperimenten teilnehmen.

Eine Theatervorstellung mit 500 Besucherinnen und Besuchern – und das zu einer Zeit, als sich die Niederlande noch in einem harten Lockdown befanden.

Viele reagierten entsetzt, damals im Februar. Aber der Anlass diente der Wissenschaft: Das Publikum wurde mit GPS-Sendern ausgestattet und in Gruppen eingeteilt, die entweder Abstand halten und einen Mundschutz tragen mussten oder auf sämtliche Pandemie-Massnahmen verzichten konnten. Zahlreiche Kameras filmten alles, auch die Ein- und Ausgänge.

Die so entstandenen Videos zusammen mit den Daten der Sender gaben danach Aufschluss über die Kontaktmomente der Personen. «Wir lernen daraus, dass es mehrere Möglichkeiten gibt, Menschen an einem grossen Ereignis zu schützen», sagt der Leiter der Fieldlab-Forschungsreihe, Andreas Voss.

Ein- und Ausgänge freihalten

Die Experimente hätten gezeigt, dass sich das Publikum nicht an die Abstandsregel zu halten brauche, wenn andere Massnahmen ergriffen würden, erläutert Voss. «Man kann viel über den Einstrom der Leute regeln.»

Die meisten Kontakte fänden beim Hineinkommen, in der Pause und beim Hinausgehen statt. «Wenn man die Leute gut durchströmen und nicht irgendwo stehen lässt, kann man dafür sorgen, dass es weniger Kontakte gibt.»

Sitzplätze sicherer als Stehplätze

Bei Anlässen mit Sitzplätzen sei das Risiko einer Ansteckung nicht höher als für eine Einzelperson zu Hause, hat die Auswertung der Überwachungsdaten ergeben. Bei Konzerten oder Festivals sei die Ansteckungsrate etwas höher, stellte Voss fest.

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Experimente müssen nicht nur vorgängig einen negativen Coronatest vorweisen können. Sie müssen sich auch fünf Tage nach dem Anlass noch einmal testen lassen. Das tun nur gerade 80 Prozent, was für Voss aber kein Problem ist. «Die Leute haben ihre Belohnung, das Event, schon gehabt. Sie haben keine Symptome. Sie fühlen sich gesund, zehren vielleicht noch von dem, was sie fünf Tage davor erlebt haben. Und sie müssen dann einen halben Tag freinehmen, um irgendwo zum Testen hinzugehen. Ich finde 80 Prozent unglaublich.»

Versuchsreihe an Eurovision Song Contest

Box aufklappen Box zuklappen
Mann mancht Foto von Kind vor grossem blauen Mikrofpn vor Festhalle.
Legende: Keystone

Eine logistisch grössere Herausforderung für das Team von Professor Voss wird der Eurovision Song Contest ab 18.Mai in Rotterdam. Die niederländische Regierung hat beschlossen, dass bei den Proben, Halbfinals und dem Final je 3500 Menschen anwesend sein dürfen, und dass das Fieldlab diese neun Shows wissenschaftlich begleiten soll. «Für uns ist das ideal, weil man dann in einer Situation ist, in der man neunmal dieselbe Ausstellung hat», freut sich Voss. Bei gleichen Bedingungen könnten sie jetzt Verschiedenes testen, beispielsweise einen anderen Zugang zur Halle oder eine andere Barnutzung.

Inzwischen befindet sich das Virus in Europa auf dem Rückzug. Bis im Sommer sollten vielerorts die Corona-Massnahmen fast gänzlich reduziert werden können. Die Frage stellt sich deshalb, ob es diese Fieldlab-Experimente überhaupt noch braucht. Ja, sagt Voss. Man müsse sehen, ob im nächsten Winter wieder die gleichen Massnahmen ergriffen werden müssen.

«Wenn das der Fall sein wird, würden wir hoffen, dass wir mit den Resultaten aus Fieldlabs verhindern können, dass der Lockdown so weit geht, wie er jetzt gegangen ist.» Der Forscher ist zuversichtlich, dass das öffentliche Leben dank der Resultate seiner Forschungsreihe dereinst nicht mehr so stark eingeschränkt werden muss, wie das dieses oder letztes Jahr der Fall war.

Rendez-vous, 11.05.2021, 12:30 Uhr

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