Was passiert in der Türkei? Die türkische Lira verliert weiter an Wert. Die Inflation ist mit 20 Prozent sehr hoch. Gleichzeitig werden die Zinsen gesenkt. Das Geld wird immer günstiger.
Wie handeln Zentralbanken normalerweise? Gegenteilig: Zinsen werden bei steigender Inflation angehoben, um das Geld zu verteuern. «Das macht es weniger attraktiv, zu investieren, bremst die Wirtschaft ein bisschen und dämpft normalerweise auch den Preisdruck», erklärt der Geldökonom Fabio Canetg.
Was sind die Gründe für den sinkenden Wert der Lira und die steigende Inflation? Die Theorie würde sagen, dass die Zinsen fallen und es somit weniger attraktiv sei, in der Türkei zu investieren, erklärt Fabio Canetg. Neben der Theorie handle es sich aber vor allem um einen Vertrauensverlust. «Die Märkte sehen, dass die Zentralbank nicht willens ist, diese Inflation zu kontrollieren. Deshalb bleibt das Geld nicht in der Türkei.» Aus türkischer Sicht werden ausländische Währungen mehr nachgefragt, der Dollar gewinnt an Wert. Im Gegenteil heisst das, die Lira verliert an Wert.
Warum wird die Führung der Notenbank immer wieder getauscht? Die Führung wird laut Canetg mit einer gewissen Systematik ausgetauscht: «Immer dann, wenn sie das geldpolitisch Richtige tun, nämlich die Zinsen anzuheben, um die Inflation herunterzubringen. Präsident Erdogan mag das nicht und entlässt sie.» Er übt politischen Einfluss auf die Notenbank aus. Erdogan glaubt, mit tiefen Zinsen die Wirtschaft anzukurbeln und die Investitionen günstig zu machen. «Das stimmt. Aber gleichzeitig steigt die Inflation. Wenn die Inflation hoch ist, schadet das mittelfristig der Wirtschaft», sagt der Geldökonom.
Welche Folgen hat es, wenn die Politik in diesem Ausmass Einfluss auf die Geldpolitik nimmt? Es sei ein Problem, weil die Inflation ausser Kontrolle geraten könne, wie man das im Moment in der Türkei sehen könne, so Canetg. Die Zinsen sind bei 16 Prozent, die Inflation bei 20 – ein Realzins von minus vier Prozent. «Das kann nicht bremsend wirken, das ist sehr stimulierend», sagt Canetg. «Das macht, dass die Inflation weiter steigt, dass das Vertrauen weiter zerfällt. Man kommt in einen Teufelskreis. Dieser hat mit dem politischen Druck auf die Zentralbank gestartet, die Zinsen tief zu halten.»
Was wäre geldpolitisch gesehen der Weg aus der Krise? Der Weg wäre laut Fabio Canetg einfach, das zeige die akademische Forschung dazu aus den letzten 40 Jahren. «Man sollte die Zinsen anheben. Man sollte versprechen, die Inflation unter Kontrolle zu bringen. Man sollte vielleicht auch einen Zentralbanker haben, der hin steht und es durchzieht. Auch der Präsident sollte das die Zentralbankerin durchziehen und die Zinsen steigen lassen.» Das sei eine Frage des Vertrauens. «Das schafft man in einem ersten Schritt mit Kommunikation und dann mit höheren Zinsen.»
Das ist eine Frage des Vertrauens. Das schafft man in einem ersten Schritt mit Kommunikation und dann mit höheren Zinsen.
Ist der politische Einfluss auf die Geldpolitik auch in der Schweiz ein Problem? «Es gibt verschiedene Dimensionen der Unabhängigkeit», sagt der Geldökonom. «Es gibt die geldpolitische Unabhängigkeit, die gilt es mit aller Macht zu schützen, auch in der Schweiz.» Die sei wichtig, damit man Thomas Jordan, Präsident der Schweizer Nationalbank, und «seine Kumpanen» nicht unter Druck setze, die Zinsen tief zu halten, wenn die Inflation steigen sollte. Bei den Gewinnen hingegen ginge es nicht per se um Geldpolitik. «Diese Gewinne gehören dem Staat. Da hat die Politik auch ein Wort mitzureden.»