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Flüchtlingsboote vor Italien «Wir appellieren an die Regierung, das Leiden schnell zu beenden»

Zwei Schiffe mit hunderten Migranten an Bord befinden sich vor der Küste Italiens und warten darauf, in einen Hafen einlaufen zu dürfen. Afshan Khan weiss, wie es um die Leute auf den Schiffen steht.

Afshan Khan

Unicef-Sonderkoordinatorin für Flucht und Migration in Europa

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Afshan Khan ist Regionaldirektorin für Europa und Zentralasien und Sonderkoordinatorin für Flucht und Migration in Europa beim UN-Kinderhilfswerk Unicef. Khan hat einen Masterabschluss in Politik. Sie ist in Indien geboren und in Kanada aufgewachsen.

SRF News: Frau Khan, Sie sind in Kontakt mit der Besatzung. Können Sie etwas über die Situation auf den Schiffen sagen?

Afshan Khan: Wir hören, dass die Situation an Bord sehr hart sei. Das Schiff der spanischen Rettungsorganisation «Open Arms» hat gar bereits darum gebeten, Leute aus medizinischen Gründen evakuieren zu dürfen. Diese Menschen brauchen dringend einen sicheren Hafen. Umso mehr, als sich das Wetter verschlechtert und Stürme aufziehen.

Was sind das für Leute an Bord?

Genaues wissen wir nicht. Angeblich sollen einige der Migranten zuvor in Libyen inhaftiert gewesen sein. Die Bedingungen dort sind sehr schlecht. Diese Menschen waren also schon in schlechter Verfassung, bevor sie in Seenot gerieten. Sie brauchen medizinische, aber auch psychologische Hilfe. Einige sind schon fast zwei Wochen auf den Schiffen.

Auch Minderjährige sollen an Bord sein.

Ja. Wir fordern, dass die Kinder bevorzugt behandelt werden. Unseren Schätzungen zufolge sind auf beiden Schiffen zusammen 130 Minderjährige. Nur elf von ihnen sind mit einem Elternteil unterwegs, die anderen sind unbegleitet.

Der Status der Menschen an Bord ist noch nicht geklärt – man weiss nicht, ob es sich um Flüchtlinge handelt oder nicht.

Warum reisen so viele Kinder unbegleitet?

Das kann viele Gründe haben. Viele fliehen aus Krisengebieten. Sie wollen sich etwa davor schützen, als Soldaten rekrutiert zu werden. Bei anderen sind die Eltern gestorben, zum Beispiel an Ebola. Oder die Eltern sind bereits in Europa und die Kinder reisen nach.

Kann sich denn Italien überhaupt weigern, sie aufzunehmen?

Das ist kompliziert, da der Status der Menschen an Bord noch nicht geklärt ist – man weiss nicht, ob es sich um Flüchtlinge handelt oder nicht. Deshalb gilt das Seerecht. Dieses besagt: Wenn ein Schiff in Seenot ist, darf es den nächsten sicheren Hafen anfahren. Der ist in diesem Fall in Italien. Wir appellieren darum an die Regierung, das Leiden dieser Menschen schnell zu beenden.

Was passiert mit den Kindern, wenn sie von Bord dürfen?

Zuerst werden sich medizinisch untersucht. Die einen werden in ein Spital gebracht, andere kommen in ein Aufnahmezentrum. Dort werden sie registriert, dann bekommen sie eine Unterkunft und werden über ihre Rechte aufgeklärt. Unicef kann ihnen zum Beispiel auch Mentoren vermitteln, die für sie Ansprechperson sind. Und wenn die Kinder bereits Familie in Europa haben, können sie dahin weiterreisen.

Und sonst?

Sonst sind sie darauf angewiesen, dass sich Länder dazu bereit erklären, sie aufzunehmen – wie dies nach Angaben der italienischen Regierung bisher Deutschland, Frankreich, Rumänien, Portugal, Spanien und Luxemburg gemacht haben.

Das Gespräch führte Raphael Rehmann.

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