Neuste Daten zeigen, dass die Migration aus Südamerika durch den Darién-Dschungel völlig eingebrochen ist. Dieses Jahr durchquerten weniger als 3000 Menschen den Dschungel – zum Vergleich: Letztes Jahr waren es über 300'000.
Viele Migranten und Flüchtlinge aus Venezuela, aber auch aus Guerilla-Gebieten vertriebene Kolumbianer, drehen um. Sie gehen nach Kolumbien zurück, oder bleiben dort, was für Kolumbien eine grosse Herausforderung ist.
Entscheidung an der US-mexikanischen Grenze
Er hat es geschafft: «Ich habe Glück gehabt», sagt der Venezolaner Marco de la Hoz am Telefon. Er floh vor dem Regime von Nicolás Maduro aus Venezuela. Heute lebt er in den USA, im Bundesstaat Nevada. Im November 2024 habe er sich mit seiner Familie an der US-mexikanischen Grenze ergeben, erklärt Marco. «Wir haben die Grenzmauer überwunden und uns dem US-Grenzschutz ergeben. Sie haben uns dann verhaftet und unsere Fingerabdrücke genommen, aber weil Joe Biden noch Präsident war, liessen sie mich danach frei in den USA bleiben, bis zu meiner Gerichtsverhandlung.»
Weil das Migrationssystem so überlastet sei, hätten er, seine Frau und seine Kinder die Anhörung erst im September 2026. Bis dahin arbeitet Marco illegal als Elektriker in den USA. Anders könnten er und seine Familie nicht überleben, sagt er.
Der Kolumbianer Nelson Ardila hatte kein Glück. Er versuchte am Tag des Amtsantritts von US-Präsident Donald Trump, die mexikanisch-amerikanische Grenze zu übertreten: «Am 20. Januar ergab ich mich dem Grenzschutz und sie nahmen mich fest. Am 28. Januar schickten sie mich zurück», zurück ins Heimatland Kolumbien.
Er habe eine bessere Zukunft gesucht, sagt Nelson, und deshalb Schlepperbanden bezahlt, die ihn in die USA bringen sollten. Über den gefährlichen Weg durch den Darién-Dschungel mag Nelson nicht sprechen – das Erlebte wiegt schwer. Augenzeugen berichten von toten Menschen, die am Wegrand zurückgelassen wurden. Und «Ärzte ohne Grenzen» behandelte immer wieder Männer, Kinder und Frauen, die im Dschungel vergewaltigt worden waren.
Die Folgen von Trumps Abschreckungspolitik
Seit Trump im Weissen Haus sitzt, durchqueren kaum noch Menschen den gefährlichen Darién-Dschungel. Stärkere Kontrollen und die neue US-Migrationspolitik haben die berüchtigte Fluchtroute fast unpassierbar gemacht. Stattdessen drehen die Menschen um, kehren zurück nach Kolumbien, wie Nelson.
Die kolumbianische Regierung sei mit dem Migrationsthema komplett überfordert, sagt Wooldy Louidor. Er ist Migrationsexperte an der Universität Javariana in Kolumbiens Hauptstadt Bogotá.
Kolumbien sei nicht vorbereitet auf diese Darién-Rückkehrer, sagt Wooldy Louidor. «Die Behörden legen den Fokus auf Bürokratisches und nicht auf praktische Lösungen für Menschen, die finanziell vor dem Nichts stehen, weil sie oft ihr ganzes Hab und Gut verkauften, um die Schlepperbanden auf der Fluchtroute zu bezahlen.»
Von den USA zurück nach Kolumbien ausgeschafft
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Bild 1 von 2. Eine Gruppe kolumbianischer Männer, die von den USA deportiert wurden, posieren vor dem Flughafen in Bogotá. Bildquelle: Reuters / Luisa Gonzalez.
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Bild 2 von 2. Diese Männer und Frauen wurden von der Trump-Regierung zurück nach Kolumbien deportiert. Bildquelle: Reuters / Luisa Gonzalez.
Neben den Rückkehrern, die vor oder an der US-Grenze umdrehen mussten, müsse sich die kolumbianische Regierung mit einem neuen Phänomen befassen: «Den Abschiebungen aus den USA. Sie schicken viele Kolumbianer zurück, in Städte wie Medellín oder Bogotá und unsere Politik hat keine Antworten darauf, was mit diesen Menschen geschehen soll.» Wer keine Hilfe von Verwandten erhält, landet auf der Strasse oder wandert erneut aus.
Kolumbien wird vom Auswanderer- und Durchgangsland nun auch zum Rückkehrer-Land
Lange sei Kolumbien ein reines Auswanderungsland gewesen. «2016 gab es dann, wegen der Wirtschaftskrise und dem autoritären linken Regime von Nicolás Maduro, in Venezuela eine Massen-Einwanderung von Venezolanerinnen und Venezolanern – drei Millionen leben inzwischen in Kolumbien», sagt der Kolumbianer Wooldy Louidor.
Heute sei Kolumbien nicht mehr nur Auswanderungs- oder Durchgangsland: «Aufgrund der bewaffneten Konflikte mit Guerillas gibt es auch viele Vertriebene innerhalb von Kolumbien.» Kolumbien habe migrationstechnisch eine enorm komplexe Situation zu bewältigen: «Weil wir inzwischen Herkunftsland sind, aber auch Durchgangs- und Einwanderungsland und jetzt neu noch Rückwanderungsland. Es ist unglaublich schwierig für die Politik, hier sinnvolle Massnahmen zu finden», sagt Louidor.
Obwohl heute nur noch ein Bruchteil den berüchtigten Darién-Dschungel durchquert und die Migrantinnen und Migranten kaum noch Chancen auf einen Neuanfang in den USA haben: Die kolumbianische Migrationsbehörde verzeichnet seit Jahresbeginn einen Rekordanstieg von Auswanderern: rund 1'200 Kolumbianer verlassen ihr Land pro Tag. 36'000 Personen pro Monat. Tendenz steigend.
«Das ist eine Spätfolge der Corona-Pandemie und der schwierigen wirtschaftlichen Lage Kolumbiens. Besonders die Mittelschicht leidet darunter. Deshalb verlassen wieder mehr Kolumbianer ihr Land.» Es sind also mehrheitlich nicht Kolumbianerinnen und Kolumbianer, die in Armut leben und im Ausland einen Neuanfang suchen: Es ist insbesondere die studierte Mittelklasse, die aus Kolumbien auswandert: darunter Ärzte, Architekten oder Ingenieurinnen. Immer beliebter wird für sie neben den USA auch ein weiteres Ziel-Land: Spanien.