Es ist ein veritabler Schatz, der sich in den Gängen des internationalen Kartoffelzentrums präsentiert. Er stapelt sich in Körben mit grossen, kleinen, runden und ovalen Kartoffeln. Auch violette oder rote sind darunter.
Stef de Haan zeigt diesen Schatz gerne: «Die Andenregion hat über 4000 Sorten von Urkartoffeln hervorgebracht. Einen Teil davon bauen wir jährlich neu an.» Ein Teil lagert in Form von Knollen, andere Arten werden hinter dicken Glasscheiben als zarte Pflänzchen in Reagenzgläsern oder als genetisches Material bei 200 Grad unter dem Gefrierpunkt aufbewahrt.
Der Schatz ist gut behütet. Für den Fall, dass es hier in Peru zu einem schweren Erdbeben kommen sollte, würden Varianten aller Urkartoffeln auch in Brasilien und Norwegen aufbewahrt, sagt de Haan. Das Kartoffelzentrum mit seinen 185 Wissenschaftlern ist zwar in Peru angesiedelt, aber de Haan und seine Kolleginnen haben ganz Lateinamerika, Afrika und Asien im Blick.
Aus Bangladesch hat den Niederländer gerade ein Hilferuf erreicht. Es geht um versalzende Böden im Einzugsgebiet eines Flussdeltas, wo die Bauern Kartoffeln pflanzen.
Infolge des Klimawandels und höherer Temperaturen steigt der Meeresspiegel; das Salzwasser drückt in die Kartoffelfelder hinein. «Das ist in Küstenregionen ein immer häufigeres Problem», so de Haan. Die Herausforderung der Forscher besteht darin, eine Kartoffel zu züchten, die mit salzigen Böden zurechtkommt, aber auch ertragreich ist und gut schmeckt.
Das Wissen ist da, aber es pressiert
De Haan ist zuversichtlich: «Wir verfügen am Kartoffelzentrum über einen immensen genetischen Schatz, über ausreichend Ursorten und viel mündlich überliefertes Wissen unter den indigenen Kleinbauern.» Allerdings eile es. «Bis eine neue, an die lokalen Produktionsbedingungen angepasste Variante reif ist, vergeht meistens ein ganzes Jahrzehnt.»
Höhere Temperaturen, neue Schädlinge oder die zunehmende Unberechenbarkeit, ob, wann und wie viel es regnet, gehören auch zur Bedrohung der Kartoffel. Im Anbau werde es zu grösseren geografischen Verschiebungen kommen, sagt de Haan.
«Die Kartoffelproduktion wird sich näher an die Pole bewegen, weil es dort kühler ist. Wo es Berge gibt, wird man die Äcker in grösserer Höhe anlegen als bislang», erklärt er. In Peru ist das längst Praxis. Die Bauern pflanzen ihre Kartoffeln bis auf 4400 Metern über Meer an, das ist 300 Meter höher als vor 40 Jahren. Nach oben ausweichen ist aber nur begrenzt möglich.
In Südeuropa wird der Anbau kritisch
Die Erde geht irgendwann in Felsgrund über. Und für bestimmte Regionen, in denen heute Kartoffeln gedeihen, sind die mittelfristigen Perspektiven ziemlich düster. «Im Norden Afrikas und in Südeuropa wird es tendenziell schwieriger bis unmöglich, weiter Kartoffeln anzubauen», sagt de Haan.
Irgendwann ist es der Kartoffel nämlich nicht mehr kühl genug – dann, wenn die Nächte nicht mehr auf mindestens 16 Grad abkühlen. Dass die Folgen drastisch sein können, wenn es der Kartoffel an den Kragen geht, zeigt nicht zuletzt die Geschichte: In Irland starben ab 1845 eine Million Menschen an den Folgen der Kartoffelfäule. Eine weitere Million wanderte in die USA aus.
Heute setzen die Vereinten Nationen wieder grosse Erwartungen in die Kartoffel, weil die Knolle mithelfen kann, die globale Hungerkrise zu lindern. Dafür sind allerdings widerstandsfähige Neuzüchtungen essenziell.