In einem seiner letzten Wahlkampfauftritte gab Ex-US-Präsident Donald Trump noch einmal Vollgas gegen die Demokratie: «Sperrt Joe Biden und seine Familie ein, auch Hillary Clinton – sperrt alle ein!» Und obschon in den USA einem Präsidenten nur zwei Amtszeiten in Folge erlaubt sind, schwadronierte er davon, auch zwölf oder gar 16 Jahre zu bleiben.
Doch Trump ist kein historischer Unfall: Einen Trump kann es in den USA erneut geben – und überall sonst. Vor allem in jungen Demokratien, von Polen über Ungarn bis in die Türkei, von Malaysia bis Indonesien, von Brasilien bis Venezuela, und von Senegal bis Uganda zeigen Machthaber zunehmend autoritäre Tendenzen. Selbst traditionsreiche Demokratien sind nicht gefeit.
«Rund ein Drittel aller Menschen neigt zu autoritären Führern», sagt die Politikpsychologin Karen Stenner. Sie lehrte bis vor kurzem als Professorin an der US-Eliteuniversität Princeton und jetzt an der Griffith Universität in Australien. Sie sagt auch: «Autoritäre Vorlieben sind auf der politischen Rechten nur geringfügig stärker verbreitet als auf der Linken.»
Stenner und Jessica Stern von der Universität Boston publizierten einen viel diskutierten Text mit dem Titel «Leben mit Autokraten» . Vielen Leuten sei es egal, ob die von ihnen gewählten Politikerinnen und Politiker rechtsstaatlich oder autoritär regierten, Hauptsache, ihre Ziele würden durchgesetzt.
Bemerkenswert: Autoritäre Neigungen seien zu einem guten Teil erblich und oft nicht sofort erkennbar. Stenner: «Leute erscheinen lange als angenehme Nachbarn, engagieren sich sogar in sozialen oder kirchlichen Projekten. Doch plötzlich dringen die autoritären Tendenzen durch. Was ist der Auslöser? Oft ist es ein Vertrauensverlust in die demokratische Führung.»
Zwar sind besser Gebildete weniger anfällig für Autoritarismus. Aber nicht dank besserer Ausbildung, sondern umgekehrt: Wer geistig reger, toleranter, flexibler ist, schafft es eher zu höherer Bildung.
Dazu kommt das Fehlen gemeinsamer Werte. Immer mehr Menschen kommen nicht zurande mit der wirtschaftlichen Globalisierung, der Komplexität des heutigen Lebens, mit der wachsenden religiösen und ethnischen Vielfalt in modernen Gesellschaften und – aktuell – den Einschränkungen aufgrund der Corona-Pandemie. Und neigen dann zu autoritären Personen und deren Lösungen.
Ursache, so Stenner, ist oft «ein in der Persönlichkeit angelegter Mangel an Offenheit, verbunden mit dem, was ich mal höflich kognitive Einschränkungen nenne.» Oder etwas weniger höflich: intellektuelle Defizite. Sie lassen sich jedoch nicht mit Bildung beheben: «Zwar sind besser Gebildete weniger anfällig für Autoritarismus. Aber nicht dank besserer Ausbildung, sondern umgekehrt: Wer geistig reger, toleranter, flexibler ist, schafft es eher zu höherer Bildung.»
Exportschlager Demokratie?
Menschen, so Stenner, seien keine «Gefässe, die man bloss mit demokratischen Ideen füllen muss, um sie zu Musterdemokraten zu machen». Deshalb gilt: «Wer in einer Demokratie lebt, ist nicht automatisch demokratischer gesinnt.»
Die Folgerungen sind ernüchternd: Der Westen habe zwar weltweit Klimaanlagen verbreitet, aber mit der Demokratie werde das nicht gelingen. Nicht einmal in bisher demokratischen Ländern sei sie dauerhaft gesichert.
Lässt sich gar nichts machen gegen autoritäre Tendenzen? In der Tat: wenig. Am ehesten einbinden liessen sich Menschen mit einem Hang zu Autokraten mit einem neuen Gemeinschafts- und Zugehörigkeitsgefühl. Doch das ist in Zeiten der Individualisierung und widerstreitender Interessen enorm schwierig.