Kiew, in einem Café im Zentrum. Der 50-jährige Franck kommt soeben vom Fitnesstraining. Er hat ein paar Tage Fronturlaub, die er in der Hauptstadt verbringt. Franck trägt einen Backenbart, hat durchdringende blaue Augen, auf seiner Militärjacke prangt das ukrainische Wappen, kombiniert mit einem Mini-Eiffelturm. Seine Motivation? Ein Lächeln huscht über das Gesicht des erfahrenen Scharfschützen, als er sagt: Er habe einen Sohn.
Das hier ist wie der Erste Weltkrieg, kombiniert mit modernster Technologie. Ich habe so etwas noch nie gesehen.
«Wissen Sie, ich habe zu Beginn des Krieges Fotos gesehen. Auf einem Foto steht ein kleines Mädchen weinend mitten in einem Bahnhof und sucht seine Eltern. Ich habe gehört, dass die Russen Kinder entführen, um sie zu indoktrinieren. Ich habe all das gesehen, habe meinen Sohn angeschaut, der in Frieden leben kann, und da habe ich mir gesagt: ich kann nicht hierblieben und nichts tun, ich kann das nicht zulassen. Das alles spielt sich vor unserer Haustür ab, nur eineinhalb, zwei Flugstunden entfernt.»
Franck ist sein echter Name. Er sieht keinen Grund, sich zu verstecken. Als Privatperson für die Ukrainer zu kämpfen, sei in Frankreich nicht verboten – und die Russen wüssten, wer er sei. Schon zwei Mal sei er von der russischen Propaganda für tot erklärt worden, sagt Franck und lacht: Das sei ein angenehmer Tod. Er habe danach jeweils ein kleines Video ins Netz gestellt, um die Russen zu ärgern.
So behauptete das russische Verteidigungsministerium im Januar, man habe bei einem Angriff auf Charkiw gegen sechzig französische Söldner getötet, darunter Franck. Tatsächlich hatten Raketen Wohnhäuser getroffen und zahlreiche Zivilisten verwundet. Franck lebt, und ausserdem sind die ausländischen Kämpfer in der Ukraine ausschliesslich in kleinen Gruppen unterwegs. Und schliesslich beziffern Insider die Gesamtzahl der französischen Freiwilligen in der Ukraine auf insgesamt rund 70.
«Wer keine Angst hat, lügt»
Doch etwas ist Franck besonders wichtig: Er sei kein Söldner, er sei Teil der ukrainischen Armee: Wenn er nur wegen des Geldes kämpfen würde, wäre er woanders, denn er erhalte genau denselben Sold wie seine ukrainischen Kameraden. Er sei wegen der Sache hier. Dass die ausländischen Freiwilligen in die ukrainische Armee integriert sind, bestätigen ukrainische Expertinnen und Experten. Das verleiht der Geschichte von Franck Glaubwürdigkeit.
Und: Hat ein Mann wie er Angst an der Front? Jeder habe Angst, wer das verneine, der sei ein Lügner oder ein Irrer, so Franck. Und jeder bekämpfe die Angst auf seine Weise. Er zum Beispiel habe den grössten Stress im Auto auf dem Weg an die Front. Dann mache er blöde Witze oder höre Musik, am liebsten AC/DC, Highway to Hell. Sobald er aussteige, verdränge er alle Gefühle und schalte auf Aktion.
Allerdings: Wenn er im Kampf einen russischen Gegner getötet habe, egal ob alt oder jung, könne er danach sehr gut schlafen. Er habe nichts gegen das russische Volk, ergänzt Franck. Aber: Die russische Führung, Putin und seine Soldaten, die hasse er inständig. Als Begründung dafür sagt Franck lediglich, er habe an Orten wie Butscha gekämpft – in der Stadt, die zum Sinnbild für russische Kriegsverbrechen geworden ist. Aufgeben ist trotz all dem keine Option für Franck. Er habe die Ukraine liebgewonnen und werde kämpfen, bis der Krieg vorbei sei, so der Franzose. Das habe er seinen Kameraden versprochen.