Vor dem Hauptquartier der Untso-Mission in Jerusalem zeigt Generalmajor Patrick Gauchat auf eine Gedenktafel: «Immer wieder sind Verluste zu beklagen», sagt der Freiburger. Seit bald vier Jahren kommandiert er – als erster Schweizer – eine UNO-Friedensoperation. «Das Risiko ist wieder beträchtlich, und die Lage vor Ort ändert sich täglich.»
Der Auftrag der Untso: Die Waffenstillstände zwischen Israel und den arabischen Nachbarn zu überwachen. Die Aufgabe ist schwieriger geworden. Das Risiko steigt; Mandat und Möglichkeiten klaffen auseinander und es fehlen finanzielle und personelle Ressourcen.
Manche Einsätze sind umstritten, oft wird die Neutralität der UNO-Missionen angezweifelt. Frieden schaffen und sichern ist oberste Priorität der Vereinten Nationen. Blauhelme sind weltweit das Gesicht der UNO. Doch sie stehen militärisch und politisch im Gegenwind.
Untso-Mission auf dem Golan
Auf den Golanhöhen bläst der Wind scharf und heiss. Aus ihrem Fahrzeug müssen sich die Militärbeobachter regelmässig in der Zentrale melden – aus Sicherheitsgründen. Der Weg zum «Beobachtungsposten 5.1» führt durch eine karge Landschaft. Die Strasse ist eingezäunt, rot-gelbe Schilder warnen vor Minen.
Postenchef ist Major Nauris Stolcs, ein stämmiger Lette. Was hat ihn auf den Golan verschlagen? «Manchmal muss man im Leben den Fallschirm nehmen und springen. Ich habe die Chance gepackt und wurde Militärbeobachter.» Sein Kamerad ist der Schweizer Wilhelm Düggelin: «Mir ist es wichtig, einen Beitrag zum Frieden zu leisten – und ich kann dabei viel lernen.»
Während mehrerer Tage leben die Beobachter auf ihren Aussenposten. Sie arbeiten, kochen, waschen ihre Kleider und schlafen dort. Ein winziger Schutzbunker steht bereit für den Fall der Fälle, der hier häufig eintritt.
Laufend Verstösse gegen Abkommen
Auf dem Ausguck sieht es friedlich aus. Schaut man aber nach Osten, sind viele Verstösse gegen das Waffenstillstandsabkommen festzustellen: Auf einem Gipfel steht eine neue israelische Abhöranlage. Militärstellungen bauen die Israeli fast über Nacht – oder besetzen ehemals syrische. Bagger zeugen von der illegalen Bautätigkeit. Wenig später ist am Himmel eine Hermes-450-Drohne zu sehen. All das dürfte hier gar nicht sein.
UNO-Blauhelme auf den Golanhöhen
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Bild 1 von 9. UNO-Beobachtungsposten auf den Golanhöhen: Blick in Richtung Osten. Verletzungen des Waffenstillstandes werden tagtäglich festgestellt. Bildquelle: SRF / Fredy Gsteiger.
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Bild 2 von 9. Der Schweizer Generalmajor Patrick Gauchat steht vor der Totentafel der Untso-Friedensmission in Jerusalem: «Immer wieder sind Verluste zu beklagen.». Bildquelle: SRF / Fredy Gsteiger.
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Bild 3 von 9. Winzig klein, aber notwendig: Der Schutzbunker für die UNO-Blauhelmsoldaten auf dem Golan. Bildquelle: SRF / Fredy Gsteiger.
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Bild 4 von 9. Arbeit im Büro des Beobachtungspostens 5.1: Die Berichte der UNO-Militärbeobachter gelten als höchst seriös. Bildquelle: SRF / Fredy Gsteiger.
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Bild 5 von 9. Der Blick mit Ferngläsern vom Beobachtungsposten aus: Eigentlich sollte das Gelände ringsum vollständig entmilitarisiert sein. Bildquelle: SRF / Fredy Gsteiger.
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Bild 6 von 9. Der aus Schweden stammende UNO-Militärbeobachter Jerry Nilsson: «Die Lage ändert sich jeden Tag.». Bildquelle: SRF / Fredy Gsteiger.
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Bild 7 von 9. Beobachten, überwachen, inspizieren: Militärbeobachter der Untso-Mission bereiten sich auf eine Patrouillenfahrt vor. Bildquelle: SRF / Fredy Gsteiger.
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Bild 8 von 9. Panzerwracks auf dem Golan erinnern an die Kriege von 1967 und 1973. Bildquelle: SRF / Fredy Gsteiger.
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Bild 9 von 9. Politisch, aber auch physisch vermintes Gelände auf den Golanhöhen. Bildquelle: SRF / Fredy Gsteiger.
All das beschreiben und melden die Untso-Beobachter. Mit welcher Wirkung? «Das wird in New York entschieden», sagt Hauptmann Cyrus Mollet. Verstösse nicht verhindern zu können, sei «nicht allzu frustrierend. Wir wussten, worauf wir uns einliessen und kennen die Grenzen des Mandats.»
Trotz ihres begrenzten Handlungsspielraums wirken die Militärbeobachter allesamt hoch motiviert. Hauptmann Matthias Rothacher sagt es so: «Wir haben es in der Schweiz so gut, dass wir einen Beitrag leisten müssen für den Frieden in der Welt.» Was auch zum Verfassungsauftrag der Schweizer Armee gehöre.
Bei Begegnungen mit der Zivilbevölkerung im Konfliktgebiet spüre er Wertschätzung. «Doch hie und da wird uns auch der Stinkefinger gezeigt. Die UNO ist nicht überall beliebt.»
Die entscheidende Frage zu Sinn und Zweck der Präsenz der UNO-Militärbeobachter laute jedoch: «Wie wäre die Lage, wenn wir nicht da wären?» Eine klare Antwort gibt es nicht. Analysen von Friedensforschern deuten jedoch darauf hin, dass Blauhelmeinsätze insgesamt eine positive Wirkung haben. Wenngleich eine begrenzte.