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Fussball-WM in Katar So wurden nepalesische Gastarbeiter um ihren Lohn geprellt

Für viele nepalesische Gastarbeiter und ihre Familien ist die WM in Katar mit Frust, Leid oder sogar Tod verbunden. Ihre Hoffnung auf einen guten Lohn im Ausland wurde in vielen Fällen bitter enttäuscht.

Für Adhik Adhikari tönte es fast wie ein Hauptgewinn im Lotto: Der Nepalese hatte einen Arbeitsvertrag in Katar ergattert, dem Gastgeberland der Fussball-WM. «Ich habe mich damals sehr gefreut», sagt der heute 27-jährige Mann aus armer Familie. «Ich war so aufgeregt.»

Er interessiere sich sehr für Fussball und sei grosser Fan des argentinischen Fussballstars Lionel Messi, erzählt er in einem Café in der nepalesischen Hauptstadt Kathmandu. «Als ich hörte, dass ich das World-Cup-Stadion mitbauen darf, habe ich gehofft, dass ich Messi dort auch spielen sehen werde – in dem von mir mitgebauten Stadion.»

Es war alles anders als versprochen.
Autor: Adhik Adhikari Nepalesischer Gastarbeiter

Doch kaum in Katar angekommen, wurde der junge Mann bitter enttäuscht. «Es war alles anders als versprochen», sagt Adhik Adhikari rund viereinhalb Jahre später. Statt 900 Riyal (umgerechnet 235 Schweizer Franken) habe das Unternehmen nur 650 Riyal gezahlt. «Und davon zogen sie mir noch 150 Riyal ab, für Essen und Unterkunft.»

Unter dem Strich blieben ihm monatlich umgerechnet 130 Franken. Das habe nicht einmal gereicht, um seine Schulden zurückzuzahlen, sagt Adhikari. Geschweige denn, Geld an seine notleidende Familie zu überweisen.

Denn um überhaupt einen Arbeitsvertrag zu bekommen, musste Adhikari eine Vermittlungsgebühr von 1000 US-Dollar an einen Personalvermittler zahlen – und dafür einen Kredit aufnehmen. Auch den Flug nach Doha musste er aus eigener Tasche berappen.

«Die Vermittlungsagentur hatte versprochen, dass ich das Geld später von meinem Arbeitgeber in Katar zurückbekomme», sagt er. Doch das Unternehmen im Besitz der katarischen Königsfamilie dachte gar nicht daran.

Das grösste Problem ist finanzielle Ausbeutung.
Autor: Rameshwar Nepal Chef der NGO Equidem

Wie Adhik Adhikari geht es vielen der 400'000 nepalesischen Gastarbeiter in Katar. Nach Angaben der nepalesischen Menschenrechtsorganisation Equidem müssen fast alle Arbeiter eine hohe Vermittlungsgebühr zahlen, um eine Anstellung in Ländern wie Katar zu bekommen. Fast alle müsse dafür einen Kredit aufnehmen  – und bis zu 60 Prozent Zinsen zahlen.

Bauarbeiter in Katar stehen neben Bussen.
Legende: Tausende Gastarbeiter halfen mit, die WM-Stadien in Katar zu bauen – unter oftmals misslichen Umständen. Keystone/EPA/STR

«Das grösste Problem ist finanzielle Ausbeutung», sagt Equidem-Chef Rameshwar Nepal. Es gebe klare Richtlinien, wonach der Arbeitgeber in Katar die Kosten der Migration übernehme. Die Gebühr sei daher illegal. Aber alle drückten beide Augen zu und nutzten die Not der Migranten aus.

Kein Lohn für 33 Monate Arbeit

Messi-Fan Adhik Adhikari verdiente zu wenig, um seine Schulden zurückzahlen zu können. Darum wollte er den Job wechseln. Doch sein Arbeitgeber habe das erst verhindert – und ihn später entlassen. «Diesen Moment werde ich nie vergessen», sagt Adhikari. «Ich hatte kein Geld, niemand half mir. Ich war total verloren.»

Er schaffte es irgendwie zurück nach Nepal. Eine Kompensation für nicht ausbezahlten Lohn während der 33 Monate Arbeit in Katar hat er bis heute von niemandem bekommen. Trotzdem will Adhikari seinem Idol Messi im Fernsehen zuschauen, wenn er bei der Weltmeisterschaft spielt.

Adhik Adhikari vor farbiger Tapete
Legende: Statt einen anständigen Lohn zu erhalten, hat Adhik Adhikari aus Nepal in Katar unfreiwillig Schulden angehäuft. SRF

«Viele Arbeiter haben in Katar schlechte Erfahrungen gemacht», sagt er. Einige hätten sogar ihr Leben verloren. «Aber wir haben das Stadion mitgebaut.» Und letztlich sei es nur ein Spiel.

Rendez-vous, 24.11.2022, 12:30 Uhr

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