Zum Inhalt springen

G20-Gipfel Die Mächtigen beim König: unverbindliche Appelle am ersten Tag

Gastgeber Saudi-Arabien setzte grosse Hoffnungen in den G20-Gipfel der Staats- und Regierungschefs von diesem Wochenende. Er sollte der Feudalmonarchie dazu dienen, sich weltweit in ein freundliches Licht zu rücken. Doch nun findet das Treffen – Corona-bedingt – nicht in Riad, sondern nur virtuell statt. Menschenrechtsorganisationen fordern gar, den Gipfel zu boykottieren.

Kein Klub der Demokraten

Die G20-Staaten sind – anders als die G7 – kein Klub der Demokraten. Daher finden G20-Gipfel gelegentlich auch in autoritär regierten Ländern statt: etwa 2013 im russischen Sankt-Petersburg oder 2016 im chinesischen Hangzhou. Doch diesmal gibt es kein Händeschütteln im vorgesehenen Gipfelort, der saudischen Hauptstadt Riad, kein Schulterklopfen und auch keine Umarmungen unter den Mächtigen. Auch das Gipfelfoto im prunkvollen Palast fällt aus.

Erster Tag: Diskussionen und unverbindliche Appelle

Box aufklappen Box zuklappen

Der erste Tag des G20-Gipfels unter saudischer Präsidentschaft mit unverbindlichen Appellen für mehr globale Zusammenarbeit, zur Bewältigung der Coronakrise zu Ende gegangen. Am virtuellen Treffen der 20 grössten Wirtschaftsmächte der Welt nahm als Gast auch die Schweiz teil, vertreten durch Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga.

Zweieinhalb Stunden diskutierten die Teilnehmer am Nachmittag per Videoschaltung darüber, wie man gemeinsam die Pandemie überwinden und Wachstum und Arbeitsplätze wiederherstellen könnte.

Die G20-Staats- und Regierungschefs wollen ärmeren Ländern den Zugang zu Corona-Impfstoffen, Medikamenten und Tests zusichern. In einem Entwurf für die für Sonntag geplante Abschlusserklärung des derzeit laufenden Gipfeltreffens heisst es, die Gruppe werde keine Mühen scheuen, dass alle Menschen einen bezahlbaren und gerechten Zugang zu den Mitteln bekämen. Mehrere Teilnehmer des zweitägigen virtuellen Treffens hatten dies am Samstag gefordert, so auch Bundeskanzlerin Angela Merkel.

Mit der Schweiz als virtuellem Gast

Der diesjährige G20-Gipfel, an dem erstmals als Gast mit Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga auch die Schweiz teilnimmt, findet per Video statt. Er dürfte deshalb kürzer ausfallen als üblich und Inhalts-ärmer. Wichtigste Themen sind die Bekämpfung der Corona-Pandemie, eine Schuldenerleichterung für die ärmsten Länder und der Klimaschutz.

Sommaruga ruft an G20-Gipfel zur Stärkung der WHO auf

Box aufklappen Box zuklappen

Die Schweiz begrüsst den G20-Aktionsplan im Kampf gegen die Pandemie. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) müsse die führende Organisation für die globale Pandemiebekämpfung bleiben, erklärte Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga in einer Rede am als Videokonferenz stattfindenden G20-Gipfel.

Aus diesem Grund müsse eine nachhaltige und vorhersehbare Finanzierung für die WHO sichergestellt werden. Sommaruga betonte laut Redetext weiter, dass Covid-19 auch in den kommenden Monaten unser Leben beherrschen werde. Dies erfordere noch mehr Solidarität.

Die Schweiz unterstützt laut Sommaruga den G20-Aktionsplan. Es sei dabei insbesondere zu begrüssen, dass der Aktionsplan die unverhältnismässig starken Auswirkungen der Krise auf Frauen, junge Menschen und die schwächsten Teile der Gesellschaft hervorhebe.

Seit dem Ausbruch der Pandemie sei auch das Recht auf freie Meinungsäusserung und Informationsfreiheit immer stärker unter Druck geraten, stellte Sommaruga fest. Es müsse aber sichergestellt werden, dass die Bevölkerung Zugang zu freien und zuverlässigen Informationen habe, um sich selbst schützen zu können.

In vielen Ländern habe die Pandemie nicht nur schwerwiegende soziale Auswirkungen gehabt, sondern auch zu hohen finanziellen Kosten geführt, sagte Sommaruga weiter. Es gebe Länder, in denen dadurch die Verschuldung auf ein unhaltbares Niveau gestiegen sei.

Hier gelte es gemeinsam Lösungen zu finden. Die Initiative zur Aussetzung des Schuldendienstes schaffe wichtige Atempausen für die ärmsten Länder, damit sie diese Ressourcen zur Lösung der dringenden gesundheitlichen und sozialen Probleme nutzen könnten.

Sommaruga bedankte sich auch bei Saudi-Arabien für die Einladung zum G20-Gipfel.

Gastgeber Saudi-Arabien plante, den Gipfel vor allem als Propagandavehikel zu nutzen, um sein international spätestens seit der Ermordung des Journalisten Dschamal Khashoggi arg ramponiertes Image aufzupolieren. Daraus wird nun nichts.

Proteste von Menschenrechtsorganisationen

Hingegen nutzen Menschenrechtsorganisationen, lokale Aktivisten und Parlamentarier in zahlreichen westlichen Ländern den Anlass, Gastgeber Saudi-Arabien und sein Regime anzuprangern. Einzelne hatten die Staats- und Regierungschefs gar aufgefordert, auch an dem bloss virtuell stattfindenden Treffen nicht teilzunehmen.

Das ist die G20

Box aufklappen Box zuklappen
Die G20 für einmal nur auf dem Bildschirm.
Legende: keystone

Die «Gruppe der 20» besteht aus der Europäischen Union und den stärksten Volkswirtschaften aller Kontinente. Das sind folgende 19 Länder: Argentinien, Australien, Brasilien, China, Deutschland, Frankreich, Grossbritannien, Indien, Indonesien, Italien, Japan, Kanada, Mexiko, Russland, Saudi-Arabien, Südafrika, Südkorea, Türkei und die USA. Die G20 repräsentiert knapp zwei Drittel der Weltbevölkerung und vereint vier Fünftel der weltweiten Wirtschaftskraft und drei Viertel des Welthandels.

Die Gruppe wurde zur internationalen Abstimmung in Finanz- und Wirtschaftsfragen gegründet, beschäftigt sich inzwischen aber auch mit vielen anderen globalen Themen von der Terrorbekämpfung über den Klimaschutz bis zur Pandemiebekämpfung.

Sie trifft sich seit 2008 in der Regel einmal im Jahr auf Ebene der Staats- und Regierungschefs. Während der Finanzkrise 2009 und 2010 gab es sogar zwei Treffen. Auch in diesem Jahr ist es bereits die zweite Zusammenkunft. Die erste im März wurde kurzfristig wegen der Corona-Pandemie einberufen und fand ebenfalls als Videokonferenz statt. Schon seit 1999 treffen sich die Finanzminister und Notenbankchefs jährlich.

Die Gruppe beschliesst bei ihren Gipfeltreffen gemeinsame Erklärungen, die zwar rechtlich nicht bindend sind, politisch aber trotzdem eine starke Signalwirkung haben.

Die G20 hat bei jedem Gipfel internationale Organisationen wie die Weltbank und die Vereinten Nationen (UN) zu Gast. Auch Spanien ist jedes Mal dabei sowie Länder, die internationale Organisationen leiten, wie jetzt Vietnam, Ruanda und die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE). Ausserdem hat der Gastgeber das Recht, weitere Staaten einzuladen. Saudi-Arabien für diesen Gipfel die Schweiz, Jordanien und Singapur ausgewählt.

Nächstes Jahr wird die G20 von Italien geleitet, das schon am 1. Dezember die Präsidentschaft von Saudi-Arabien übernimmt. 2021 will die G20 möglichst wieder physisch zusammenkommen.

Denn auch in dieser Form diene es den saudischen PR-Anstrengungen, so die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch. Die autoritäre Regierungsführung, die immer noch häufig verhängte Todesstrafen und die, trotz einzelner Reformen, fortdauernde Unterdrückung der Frauen sind die Hauptkritikpunkte.

Die saudische Regierung wiederum verbittet sich jegliche Einmischung: «Ihr habt Eure Gesetze, wir haben unsere», sagte Staatsminister Adel al-Dschubair der Nachrichtenagentur DPA.

SRF 4 News, 21.11.2020, 06:00 Uhr

Meistgelesene Artikel