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Gebühren für Abgasschleudern Londons Bürgermeister bekommt den Furor der Autofahrer zu spüren

Konservative wittern eine Ökodiktatur, doch auch Linke sind skeptisch: Eine Umweltabgabe wird zum nationalen Politikum in Grossbritannien. Londons Bürgermeister Sadiq Khan gerät massiv unter Druck.

London ist in Aufruhr: Denn das «Recht der Menschen in der Innenstadt auf saubere Luft», wie es Bürgermeister Sadiq Khan nennt, sorgt derzeit für wütende Reaktionen in der Bevölkerung.

Wie bereits in sechs anderen britischen Städten gilt in der Metropole an der Themse ein sogenanntes «Road Pricing». Konkret: Wer mit einer Abgasschleuder durch London fährt, muss tief in die Tasche greifen. Umgerechnet 17 Franken beträgt die Gebühr für Fahrzeuge, die gewisse Umweltnormen nicht erfüllen.

Konservative Kritik

Nun wurde die Londoner Umweltzone von der Innenstadt auf das gesamte Stadtgebiet ausgeweitet – begleitet von scharfer Kritik der konservativen Regierung. Gegenüber der BBC rechtfertigte sich Londons Bürgermeister von der sozialdemokratischen Labour-Partei: Es handle sich weder um eine Anti-Auto- noch um eine Anti-Autofahrer-Politik.

Schild weist auf Umweltzone hin
Legende: 90 Prozent aller Fahrzeuge erfüllen laut Londons Bürgermeister Sadiq Khan schon die Abgasvorgaben, die zur kostenlosen Einfahrt berechtigen. Für Umrüstungen oder Neukäufe stehen 160 Millionen Pfund bereit. Reuters/Toby Melville

Patrik Wülser berichtet für SRF aus der britischen Hauptstadt. Er bestätigt: Um die Luftqualität in London stehe es schlecht. «Die Stadt ist bekannt für Smog, schlechte Luft und verstopfte Strassen. Dies führt bei alten Menschen und Kindern nachweislich zu Gesundheitsproblemen.»

Die Londoner Behörden gehen davon aus, dass jährlich 4000 Menschen in der britischen Hauptstadt frühzeitig an den Folgen von Atemwegserkrankungen sterben. «Deswegen will man die alten Fahrzeuge, die die Luft besonders belasten, aus der Stadt verbannen», sagt der SRF-Korrespondent.

Der ÖV als valable Alternative?

So weit, so nachvollziehbar – zumindest aus gesundheitspolitischer Warte. Verkehrspolitisch stellt sich im Grossraum London, in dem die Pendlerdistanzen teils enorm sind, aber auch eine andere Frage: Kommen die Menschen auch ohne Auto in die Stadt und an den Arbeitsplatz?

Grundsätzlich sei der öffentliche Verkehr in London gut ausgebaut, weiss Wülser. Gut die Hälfte der Menschen in der Metropolregion hat gar kein Auto und ist mit Bus, Metro oder dem Fahrrad unterwegs. «Selbstverständlich gibt es aber Berufsleute, die auf das Auto angewiesen sind und die kein Geld haben, sich jetzt einfach ein neues Auto zu kaufen.»

Londoner Bürgermeister unter Druck

Die Stadt London subventioniert den Ersatz von alten Fahrzeugen mit umgerechnet 2500 Franken. Der Aufschrei ist trotzdem gross: «Leicht larmoyant liefern Kritikerinnen und Kritiker seit Wochen Beispiele von Menschen, die ihre Grosskinder nicht mehr besuchen und nicht mehr zum Arzt können oder auch von Gewerbetreibenden, die wirtschaftliche Einbussen erleiden.»

Nutzen des Massnahme ist umstritten

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Sadiq Khan
Legende: Londons Bürgermeister Sadiq Khan. Keystone/EPA/Andy Rain

Bringt das Road Pricing überhaupt etwas, um die Luftqualität im smoggeplagten London zu verbessern? «Das ist eine heikle Frage – und eine abschliessende Antwort gibt es nicht», sagt SRF-Korrespondent Patrik Wülser. Nicht nur in London werde das Thema seit Jahren hochkontrovers diskutiert. Doch selbst in der Wissenschaft sei der Nutzen der Massnahme umstritten.

Denn: Schon jetzt erfüllen rund 90 Prozent der Fahrzeuge, die in London unterwegs sind, die Abgasnormen. Doch auch sie fahren weiterhin durch die Strassen und belasten die Luft. Kritikerinnen und Kritiker fordern denn auch, dass es punktuelle Restriktionen statt flächendeckender Massnahmen geben solle. So könnten besonders belastete Strassen oder Quartiere zeitweilig gesperrt werden. Linke Kreise wiederum halten die Gebühr für unsozial und schlagen steuerliche Massnahmen zugunsten von Luft und Klima vor.

Verschärft wird der Unmut in der Bevölkerung dadurch, dass die Menschen im ganzen Land seit Monaten unter hohen Lebenskosten leiden. Jede zusätzliche Gebühr belastet das Portemonnaie weiter. «Wenn diese dann noch grossflächig von einem linken Bürgermeister in der Hauptstadt erhoben wird, löst das Unmut aus», berichtet Wülser.

Kamera zur Überwachung des Verkehrs
Legende: Der Unmut wurde begleitet von Vandalenakten: Laut der Londoner Polizei wurden über 500 Kameras, die zur Fahrzeugüberwachung installiert wurden, zerstört. Zudem weigern sich einzelne Stadtbezirke in London, Signale aufzustellen, die auf die neue Gebühr hinweisen. Reuters/Toby Melville

Sadiq Khan steht also unter massivem Druck. Und die Londoner Umweltabgabe mutiert laut Wülser gerade zu einem nationalen politischen Thema. So warnen die Konservativen ein Jahr vor den Wahlen vor einer «linken Ökodiktatur». Doch auch Labour ist bei dem heiss umstrittenen Thema gespalten. «Die Partei nimmt es womöglich sogar in Kauf, den eigenen Bürgermeister in London im Regen stehenzulassen», schliesst der Korrespondent.

Rendez-vous, 29.08.2023, 12:30 Uhr ; 

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