Am ersten Amtstag unterzeichnete Präsident Trump ein Dekret, das rechtlich sehr fragwürdig war: Die Kinder von papierlosen Migranten und von Menschen, die nur temporär in den USA sind, sollten künftig nicht mehr automatisch US-Bürgerinnen und -Bürger werden. Doch das «Geburtsortsprinzip» ist in der Verfassung explizit verankert. Der Oberste Gerichtshof kam 1898 zum Schluss, es gelte für Kinder von Eltern, die keine US-Bürger sind.
Trumps «Executive Order» wurde von mehreren Bundesrichterinnen und -Richtern landesweit blockiert – und erreichte schliesslich das Oberste Gericht im Land, den «Supreme Court». Trumps Juristen wussten wohl, dass es unwahrscheinlich ist, dass das Geburtsortsprinzip eingeschränkt wird.
Sie wurden mit einer anderen Beschwerde vorstellig: Es gehe nicht an, dass jeder der hunderten Bezirksrichterinnen und -Richter die Regierung landesweit blockieren könne. Diese «Universal Injunctions» seien zur Epidemie geworden.
Es droht ein landesweiter Flickenteppich
Trump durfte auf eine wohlwollende Beurteilung hoffen: Sechs Konservative bilden am «Supreme Court» die klare Mehrheit. Drei dieser Richterinnen und Richter hat Trump selbst eingesetzt. Das Gericht liess die Frage, ob Trumps Dekret zur Einschränkung des Geburtsortsprinzip verfassungsmässig sei, vorerst unbeantwortet.
Aber: Der Oberste Gerichtshof will zulassen, dass Trumps Verordnung nach 30 Tagen in Kraft tritt, wenn auch nur in Teilen des Landes. In der Frage, wer in den USA per Geburt das Bürgerrecht hat, droht ein Chaos. Und eine Schwemme von Gerichtsfällen, wenigstens bis das Oberste Gericht vielleicht doch noch entscheidet, ob das Geburtsortsprinzip eingeschränkt werden kann.
Der Immunitätsentscheid als Wink
Der wirkliche Sieg für Trump könnte aber ein anderer sein: Das Urteil vom Freitag bindet die Bundesgerichte auf der untersten Ebene zurück. Die sechs Konservativen am Gericht scheinen damit zu tun, was Trumps Leute sich erhofft hatten. Es wird sich zeigen, wie sich das in der Praxis auswirkt, aber in Zukunft dürfte es für die Bezirksgerichte deutlich schwieriger werden, den Präsidenten landesweit zurückzuhalten.
Das Urteil passt zu einem Obersten Gericht, das gewillt scheint, die präsidiale Macht auszubauen. Man denke an ein Urteil vom letzten Jahr, mit dem Präsidenten mit einer weitreichenden Immunität ausgestattet wurden und mit dem Trump vor Strafverfolgungen abgeschirmt wurde. Die liberalen Richterinnen widersprachen dem heutigen Urteil mit scharfen, ja wütenden Worten.
Die Gerichte als zentrales Gegengewicht zu Trump
Donald Trump ist nicht der erste Präsident, der frustriert ist, weil er von einzelnen Bundesgerichten blockiert wurde. Auch Demokraten regten sich darüber auf. «Universal Injunctions» sind zum kontroversen Bremsklotz geworden – und tatsächlich ist Trump besonders häufig davon betroffen. Trump wettert gegen «linksradikale» Richter.
Aber die Erklärung ist wenigstens teilweise eine einfache: Trump regiert bislang weitgehend per Dekret, am Parlament vorbei. Er hat in seiner zweiten Amtszeit schon mehr «Executive Orders» unterzeichnet als sein Vorgänger Joe Biden in vier Amtsjahren. Viele Trump-Dekrete sind rechtlich sehr fragwürdig – und sie führten zu vielen Klagen. Die Gerichte wurden zum zentralen, fast zum einzigen Gegengewicht zu Trump.
Das neueste Urteil dürfte es ihnen schwerer machen, diese Rolle zu spielen. Es macht es Trump (und seinen Nachfolgern) einfacher per Dekret, um nicht zu sagen autoritär, zu regieren.