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Gefahr Stellvertreterkrieg Welche Länder in Libyen involviert sind

Im Libyen-Konflikt wird die Regierung von Fajis al-Sarradsch in Tripolis von Truppen des War Lords Chalifa Haftar massiv bedrängt. Dazu unterstützen verschiedene Länder die Bürgerkriegsparteien. Sicherheitsexperte Roland Popp erklärt, wer welche Interessen hat.

Unterstützer der Regierung in Tripolis von Fajis al-Sarradsch:

Türkei: Die Türkei versteht sich zunehmend als Vormacht in der Region und versucht im gesamten östlichen Mittelmeerraum geopolitisch präsenter zu sein. Das zeigte sich bereits in Syrien. Dazu spielen auch die Frage der Abgrenzung der Festlandsockel und der Ausbeutung der Gasvorkommen rund um die Insel Zypern eine Rolle. Die Türkei sieht die eigene Version des politischen Islam als vorbildhaft für andere nahöstliche Staaten und versucht diese zu exportieren.

 Fajes al-Serradsch
Legende: Libyens Ministerpräsident Fajis al-Sarradsch steht an der Spitze der aus völkerrechtlicher Sicht legitimen Regierung. Reuters

Katar: Katar ist eine kleine Macht, die versucht, in der höheren Gewichtsklasse zu boxen. Durch den Konflikt mit Saudi-Arabien ist Katar auf Verbündete angewiesen. Zum wichtigsten Verbündeten ist die Türkei geworden. Dies wegen ihrer ideologischen Verwandtschaft, z.B. im Verhältnis zur Muslimbruderschaft. Katar ist Geldgeber vieler türkischer Operationen, seine Macht besteht in seinen enormen finanziellen Kapazitäten.

Italien: Italien war ehemalige Kolonialmacht in Libyen und meint, eine Sonderrolle zu spielen. Man glaubt, einen besonderen Anspruch und Expertise zu besitzen. Dazu war Italien früher einer der Hauptabnehmer von Öl-Lieferungen aus Libyen. Italien hat in Libyen auch Verbündete gefunden, um den Flüchtlingsstrom in Richtung italienische Häfen zu bremsen. Italien kooperiert mit der Sarradsch-Regierung und lokalen Machthabern entlang der Küste, um den Flüchtlingsstrom einzudämmen. Erfolgreich, wenngleich aus humanitärer Sicht zweifelhaft.

Unterstützer von Kriegsfürst Chalifa Haftar:

Vereinigte Arabische Emirate: Von den Herrscherfamilien in den VAE wird die Muslimbruderschaft als eine der grössten Bedrohungen angesehen. Deshalb haben die Emirate von Anfang an Haftar unterstützt, auch militärisch interveniert mit der eigenen Luftwaffe zugunsten von Haftar. Sie versuchen, Haftars Anspruch auf die Herrschaft in ganz Libyen durchzusetzen, mit dem Ziel islamistische Kräfte zurückzudrängen.

Chalifa Haftar
Legende: Chalifa Haftar putschte einst an Gaddafis Seite, floh in die USA und greift nun nach der Macht über ganz Libyen. Reuters

Ägypten: Als direktes Nachbarland hat Ägypten eigene strategische Interessen. Dazu unterstützte das Land General Haftar und leistete viel militärische Ausbildungshilfe. Dank der mächtigen Verbündeten hat sich Haftar im Osten Libyens durchsetzen können und den Angriff auf die Hauptstadt Tripolis gewagt, um die gesamte Macht im Land zu erreichen.

Russland: Geostrategisch ist Libyen für Russland in mehrfacher Hinsicht spannend. Es bietet sich eine Gelegenheit, den US-Einfluss in der Nahostregion weiter zu schwächen. Wenn Russland künftig seine Präsenz in einem unter Haftar geeinten Land besässe, oder die Libyer russisches Militärmaterial anschaffen würden, müsste sich das westliche Bündnis Nato mit dieser möglichen Bedrohung entlang der Südflanke beschäftigen. Dazu ist für ein Ölförderland wie Russland eine Involvierung in die libyschen Öl- und Gasvorkommen hochinteressant.

Frankreich: Die Franzosen sind aus der offiziellen Linie der EU ausgeschert und unterstützen General Haftar. Präsident Macron verfolgt bestimmte strategische Interessen Frankreichs als nahöstlicher Macht, wobei auch wirtschaftliche Interessen durchaus eine Rolle spielen. Frankreichs Haltung in der Libyenfrage wird auch stark beeinflusst durch die Nähe zu den Emiraten.

Roland Popp

Experte für Sicherheitspolitik

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Roland Popp ist seit 2020 Forschungsmitarbeiter an der Militärakademie an der ETH Zürich. Von 2008 bis 2017 war er Senior Researcher und Leiter einer Forschungsgruppe über Nuklearwaffenpolitik am Center for Security Studies an der ETH Zürich. 

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