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Der Guzmán-Clan: Wer ist der verhaftete Drogenboss?
Aus News Plus vom 06.01.2023. Bild: SRF
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Gefasster Sohn von «El Chapo» Mexiko: Drogenkartell bleibt auch ohne Drogenboss Guzmán mächtig

Die Verhaftung bedeutet für Mexiko einen Erfolg. Doch das Ende des Kartells ist damit nicht eingeläutet.

Brennende Lastwagen auf den Strassen, Schiessereien in Gassen und ein Flughafen unter Beschuss. Im Nordwesten von Mexiko eskaliert die Situation nach der Festnahme von Ovidio Guzmán, dem Sohn des berühmt-berüchtigten Drogenbosses «El Chapo» Guzmán. Es gab mindestens 29 Tote und mehrere Verletzte.

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Sohn des berühmten Drogenbosses El Chapo festgenommen
Aus Tagesschau vom 06.01.2023.
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«Die Bilder aus Mexiko gleichen einem Bürgerkrieg», sagt Anne Huffschmid. Sie ist Kulturwissenschaftlerin, die sich seit Jahren mit Gewalt und der Menschenrechtslage in Lateinamerika beschäftigt. Mit der Verhaftung sei dem mexikanischen Staat ein empfindlicher Schlag gegen das Sinaloa-Kartell gelungen, erklärt sie den heftigen Gewaltausbruch.

Bis zu seiner Verhaftung war Ovidio Guzmán eine zentrale Figur im Kartell. Sein Vater «El Chapo» hatte ihn ins Geschäft eingeführt. «El Chapo» selbst wurde 2016 verhaftet, an die USA ausgeliefert und dort zu lebenslanger Haft verurteilt. «Sein Imperium hat seine Familie natürlich weiterbetrieben», sagt Huffschmid. Zusammen mit seinen Brüdern führte Ovidio Guzmán die Geschäfte weiter.

Verhaftung schwächt Kartell kaum

Eigentlich seien Experten davon ausgegangen, dass das Kartell nach der Verhaftung von «El Chapo» 2016 in sich zusammenfällt, sagt Anne-Katrin Mellmann, frühere ARD-Korrespondentin in Mexiko. «Das ist nicht passiert.» Stattdessen hätten sich innerhalb des Kartells vier Untergruppen gebildet.

Eine dieser vier Gruppen hat Ovidio Guzmán mit seinen drei Brüdern geführt. «Es ist davon auszugehen, dass die Macht des Kartells nicht gebrochen ist mit dieser Verhaftung», sagt Mellmann. Das Sinaloa-Kartell sei und bleibe mächtig.

Nicht erste Verhaftung von Ovidio Guzmán

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Legende: Ovidio Guzmán bei seiner Verhaftung im Oktober 2019. KEYSTONE / CEPROPIE via AP Archiv

Der mexikanischen Armee war es bereits 2019 gelungen, Ovidio Guzmán festzunehmen. Auch damals reagierte das Sinaloa-Kartell äussert gewalttätig und griff die Sicherheitskräfte an. Um die Eskalation zu beenden, wurde Guzmán bald wieder freigelassen.

Drogen, Raub und Erpressung

Gemäss Schätzungen nimmt das Kartell jedes Jahr mehrere Milliarden Dollar ein. Dabei fusst die Macht nicht nur auf dem Drogengeschäft. «Das Sinaloa-Kartell war traditionell schon auf Drogen spezialisiert, nach und nach kamen auch andere Dinge hinzu», sagt Mellmann. Somit ist es in verschiedenen Zweigen der organisierten Kriminalität tätig: Drogen, Schutzgelderpressung, Entführungen und Raubüberfälle.

Der ganze mexikanische Staat ist inzwischen unterwandert von der organisierten Kriminalität
Autor: Anne-Katrin Mellmann Ehemalige Leiterin des ARD-Studios in Mexiko City

Diese Geschäfte dürften wohl weitergehen – auch ohne den nun gefassten Ovidio Guzmán. Dabei sei das Timing der Festnahme kein Zufall, sagt Kulturwissenschaftlerin Huffschmid. Denn in der kommenden Woche steht in Mexiko ein wichtiger Termin an. US-Präsident Joe Biden, Kanadas Regierungschef Justin Trudeau und der mexikanische Präsident Andrés Manuel López Obrador treffen sich am sogenannten Nordamerika-Gipfel.

Sandoval steht an einem Rednerpult. Im Hintergrund läuft eine Präsentation.
Legende: Der mexikanische Verteidigungsminister Luis Sandoval informierte die Medien über die Verhaftung von Ovidio Guzmán. IMAGO / Luis Barron, Eyepix Group

Mexiko wolle mit der Verhaftung signalisieren, dass es den Kartellen entschieden entgegentritt, schätzt Anna Huffschmid. «Es scheint ein dringendes Bedürfnis nach einer Erfolgsmeldung zu geben.». Es habe wohl eine monatelange Recherche des Geheimdienstes gegeben, die jetzt punktgenau mit dem Zugriff geendet habe, vermutet Huffschmid. Dabei hätten die längst die erneute Verhaftung von Ovidio Guzmán gefordert.

Mexiko lagert Prozesse aus

Huffschmid findet es bedauerlich, dass Mexiko opportunistisch erst auf Druck der USA reagiert und nicht aus eigenem Interesse gegen die Kartelle vorgeht. Bezeichnend sei, dass die Prozesse gegen die Kartellbosse in den USA stattfinden und nicht in Mexiko. Das Land lagere die Prozesse aus, weil ein ganzes Netz an Korruption und Verstrickungen besteht. Mellmann sagt dazu: «Der ganze mexikanische Staat ist inzwischen unterwandert von der organisierten Kriminalität.»

Gewaltspirale im Drogenkrieg dreht weiter

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Die Drogenkartelle in Mexiko werden seit den 1980er Jahren immer mächtiger – durch die Einnahmen aus dem Drogenschmuggel in die USA. Die Situation hat sich nach 2006 deutlich verschlimmert, wie viele Fachleute sagen. Der damalige Präsident Felipe Calderón wollte die Kartelle bekämpfen – und die USA unterstützen diesen Krieg finanziell.

Die Gewalt eskalierte. In den vergangenen 16 Jahren sind in Mexiko gemäss Schätzungen der UNO mehr als 350'000 Menschen ermordet worden, zehntausende sind verschwunden. 2021 gab es in Mexiko im Schnitt 94 Morde pro Tag.

Der aktuelle mexikanische Präsident versprach im Wahlkampf vor 5 Jahren «Umarmungen statt Kugeln». Trotzdem ist ein Ende der Gewalt nicht absehbar. Die Drogenkartelle schmieren Polizisten, Richterinnen und Politiker – wer nicht annimmt, fürchtet um sein Leben.

Korrekturhinweis

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In einer ersten Fassung des Textes haben wir vom Beschuss von Flughäfen in der Mehrzahl geschrieben. Tatsächlich war von den Angriffen ein Flughafen betroffen. Die Stelle am Anfang des Artikels wurde entsprechend korrigiert.

SRF 4 News, 06.01.2023, 03:00 Uhr;

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