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Gefilmt, geprüft und angesimst Iran hat Frauen ohne Kopftuch auf dem Schirm

Trägt eine Frau im Iran kein Kopftuch, kann sie neu per Kamera identifiziert werden. Überwachungskameras hat das Regime an öffentlichen Plätzen und Strassen installiert, um Frauen zu überwachen. Wer gegen die Kopftuchpflicht verstösst, erhält eine Warnung per SMS. Katharina Willinger, ARD-Korrespondentin in Istanbul, ordnet die neue Massnahme ein.

Katharina Willinger

ARD-Korrespondentin in Istanbul

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Katharina Willinger berichtet für die ARD seit 2017 über die Türkei und die Insel Zypern und seit 2020 auch über den Iran. Anfang dieses Jahres hat sie Leitung des ARD-Studios Istanbul übernommen und leitet auch das Studio-Büro in Teheran.

SRF News: Was bezweckt das iranische Regime mit dieser Überwachung?

Katharina Willinger: Das Regime möchte die Frauen vor allen Dingen abschrecken. In den letzten Monaten haben immer mehr Frauen im Iran ihr Kopftuch abgelegt. Das ist ein Resultat der Proteste, die letzten Herbst ausgebrochen sind.

Viele Frauen haben uns gesagt, dass sie nicht glauben, dass das Regime da auf Dauer wegsehen wird. Sie hatten schon damals die Befürchtung, dass die Sittenpolizei wieder zuschlagen wird. Und das ist jetzt das Resultat.

Kamera in Teheran
Legende: Die Kameras sind nicht nur auf öffentlichen Plätzen installiert, sondern auch in Cafés, Hotels und Buchhandlungen. Reuters/WANA NEWS AGENCY

Dienen die Kameras auch dazu, die Proteste insgesamt zu unterdrücken?

Mit Sicherheit. Das ist eine generelle Abschreckungsmassnahme. Im Iran hängen Kameras schon seit vielen Jahren an allen öffentlichen Plätzen. Aber sie sind auch in Cafés, Hotels und Buchhandlungen angebracht. Man will der Bevölkerung klarmachen: Der Staat schaut zu. Kommt ja nicht auf die Idee, dass ihr frei leben könnt, wie ihr es möchtet.

Man will der Bevölkerung klarmachen: Der Staat schaut zu. Kommt ja nicht auf die Idee, dass ihr frei leben könnt, wie ihr es möchtet.

Diese Kameras generieren eine Unmenge an Bildern. Werden diese Videos überhaupt ausgewertet?

Das lässt sich schwer sagen. Diese gezielte Überwachung, die sich jetzt gegen Frauen richtet, ist ja erst vor einer Woche angelaufen. Da gibt es noch kaum Erfahrungswerte. Man kann sich aber tatsächlich schwer vorstellen, dass hinter jeder Kamera bzw. hinter jedem Monitor ein Revolutionswächter sitzt und er sich dieses Material – das müssen Massen an Material sein – ansieht. Ich denke, es geht in erster Linie darum, dass man Frauen abschreckt.

Oder, dass man auch gezielt Personen, die man sowieso schon auf dem Radar hat, weil sie auf den Protesten waren, weil sie sich in den sozialen Netzwerken kritisch geäussert haben, beschattet, verfolgt, sie gezielt anhand von Videoaufnahmen rauspickt und vor Gericht stellt.

Frau in Isfahan (Archiv).
Legende: Nur noch eine Minderheit der Bevölkerung dem Regime treu, vermuten Experten. Das ändert nichts am Umstand, dass Frauen im Iran von der Justiz als Bürger zweiter Klasse behandelt werden (Archivbild). Reuters/Morteza Nikoubazl

Sind denn solche Videoaufnahmen vor einem iranischen Gericht als Beweismittel überhaupt zulässig?

Wenn man sich die Justiz ansieht, muss man festhalten, dass es gar nicht mehr darum geht, ob das zulässig ist oder nicht. Gerade, was die Behandlung von Frauen angeht. Eine Anwältin hat mir gesagt: Es ist nicht zulässig.

Tod von Jina Mahsa Amini hat Proteste ausgelöst

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Die verstorbene Kurdin Jina Mahsa Amini auf einem Bild
Legende: Keystone/Clemens Bilan

Mit dem Ausbruch der jüngsten Protestwelle im September 2022 ist die Islamische Republik in eine schwere politische Krise gestürzt.

Auslöser war der Tod der iranischen Kurdin Jina Mahsa Amini in Polizeigewahrsam. Sie war von der sogenannten Sittenpolizei wegen Verstosses gegen islamische Kleidungsvorschriften festgenommen worden. Der Staat reagierte auf Proteste mit grösster Härte und tut es noch.

Sie hat einen Vergleich gezogen: Wenn eine Frau Opfer von Gewalt oder vergewaltigt wird, muss sie mehrere Zeugen vor Gericht vorweisen können, die das bestätigen. Da reicht ein reiner Video-Beweis nicht aus. Aber wenn es darum geht, ob sie ihr Kopftuch richtig oder überhaupt trägt, soll dieser Videobeweis zugelassen werden.

Wenn man sich die Justiz ansieht, muss man festhalten, dass es gar nicht mehr darum geht, ob das zulässig ist oder nicht.

Was sagen die Menschen, die noch hinter der Regierung stehen, zu den Kameras?

Im Iran geht man davon aus, dass nur noch eine Minderheit der Bevölkerung dem Regime treu ist. Es gibt keine offiziellen Zahlen. Aber von aussen werden immer wieder Umfragen gewagt. Beobachter denken, es sind 20 Prozent, vielleicht auch weniger.

Bestenfalls Joghurt, schlimmstenfalls Säure

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Eine Attacke eines Regimeanhängers gegen Frauen ist unlängst im Internet verbreitet worden. In einem Laden griff da ein Mann zwei Frauen an, von denen nur eine ein Kopftuch trug. Er schüttete den Frauen einen grossen Eimer Joghurt über den Kopf.

Was harmlos klingen mag – die Frauen wurden nicht ernsthaft verletzt –, weckt bei vielen Irannerinnen dunkle Erinnerungen: In den letzten Jahren und Jahrzehnten gab es immer wieder Angriffe von Regimeanhängern gegen Frauen, die sich nicht so kleideten, wie die Mullahs sich das vorstellen. Im Extremfall waren das Säureangriffe. Zuletzt war das 2014 der Fall. Da gab es eine grosse Säureangriff-Welle in Isfahan. Und da erinnern sich immer noch viele Frauen mit grossem Schrecken daran.

Diese Anhänger versucht die Regierung nun gezielt gegen Frauen, die das Kopftuch nicht tragen, aufzuwiegeln. Das hat dazu geführt, dass in den letzten Wochen immer wieder Videos im Netz aufgetaucht sind, die Attacken von Regimeanhängern gegen Frauen zeigen.

Das Gespräch führte Nicole Roos.

SRF 4 News, 24.04.2023, 6 Uhr ; 

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