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Gerichte in Polen 2022 war ein gutes Jahr für die Unabhängigkeit der Justiz

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Archiv: Die polnische Justizreform dürfte in Brüssel auf Zustimmung stossen
aus SRF 4 News aktuell vom 27.05.2022. Bild: Keystone
abspielen. Laufzeit 3 Minuten 19 Sekunden.

«Polens Justizreform: Eine Katastrophe», «Drastische Strafen für kritische Richter», «Richter auf der Anklagebank». Drei westeuropäische Zeitungsschlagzeilen aus dem Jahr 2022, ein düsteres Urteil: In Polen, einem der grössten Länder der Europäischen Union, gilt für Richterinnen und Richter nicht nur das Gesetz – es gilt auch das, was Politiker von ihnen erwarten.

Sind sie zu kritisch, kann es sein, dass sie über bestimmte Fälle nicht urteilen dürfen; oder dass sie selbst in irgendeiner Sache angeklagt werden.

Keine Corona-Gelder

In anderen Ländern sind die Gerichte ebenfalls nicht so unabhängig von der Politik, wie sie sein sollten. In Polen aber, findet die EU, seien die Gerichte so abhängig, dass das Land jeden Tag eine Million Euro Strafe bezahlen muss – solange es Politik und Justiz nicht stärker entflechtet.

Die EU überweist Polen deswegen ausserdem noch keine Nach-Corona-Wiederaufbau-Gelder. Und das höchste EU-Gericht verurteilt das Land immer wieder.

Richter wieder eingesetzt

Möglich ist aber auch ein weniger düsteres Urteil über Polen und seine Gerichte: Die letzten Wochen des Jahres 2022 waren nämlich eine gute Zeit für polnische Richterinnen und Richter, die sich nur ans Gesetz halten wollen – und nicht an Wünsche ihrer Regierung.

Zuerst hat das Oberste Polnische Gericht einen bekannten Richter wieder eingesetzt – einen, der abgesetzt und angeklagt worden war. Und zwar, weil er gegen mächtige Regierungspolitiker ermitteln lassen wollte.

Kampf zweier Pole

Vor allem scheinen sich in der polnischen Regierung Leute durchzusetzen, die finden, EU-Geld sei wichtiger als noch mehr Kontrolle über Richterinnen und Richter.

Seit Monaten bekämpfen sich die beiden Pole in der Regierung – jene, die finden, Gerichte müssten stärker kontrolliert werden und jene, die finden, man sollte sich unbedingt mit der EU einigen, damit Polen EU-Gelder bekommt. Das ist umso wichtiger in Zeiten der teuren Energie, der Inflation, des Kriegs im Nachbarland Ukraine.

Neues Gesetz

Jetzt hat die Regierung ein neues Gesetz vorgelegt, eines, durchdrungen vom Wunsch nach einem Kompromiss mit der EU – auch wenn das, zumindest im Moment, weniger Kontrolle über die Justiz bedeutet. Richterinnen und Richter sollen nicht mehr so einfach strafversetzt und angeklagt werden können.

Ein Wunder ist das nicht, alle Umfragen zeigen: Die grosse Mehrheit der Polinnen und Polen interessiert sich nicht so sehr für das Justizsystem, wohl aber für die Milliarden der EU. Und 2023 wählt Polen. In diesem Fall, so kann man urteilen, wirkt der Druck der EU – und der Druck im eigenen Land.

Sarah Nowotny

Sarah Nowotny

Osteuropa-Korrespondentin

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Sarah Nowotny ist Osteuropa-Korrespondentin für SRF. Sie lebt in der polnischen Hauptstadt Warschau. Seit 2014 ist Nowotny bei Radio SRF tätig. Zuvor arbeitete sie für die «NZZ am Sonntag» und «Der Bund».

Echo der Zeit, 15.12.2022, 18:00 Uhr

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