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Getreide aus der Ukraine Trotz Vertrauensverlust: Türkei versucht sich als Vermittlerin

Zum ersten Mal seit März setzen sich heute Delegationen Russlands und der Ukraine wieder an einen Tisch, um miteinander zu sprechen. Verhandelt wird in Istanbul über die blockierten Getreideexporte aus dem Schwarzmeerraum. Dabei gibt sich die Türkei als neutraler Vermittler – doch ihr Ruf hat gelitten: Sie soll von Russland gestohlenes Getreide gekauft haben, wie Journalist Thomas Seibert weiss.

Thomas Seibert

Journalist in der Türkei

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Thomas Seibert ist seit 1997 Korrespondent für den deutschen «Tagesspiegel» in Istanbul und berichtet auch für andere Medien, unter anderem für SRF.

SRF News: Die Türkei soll von Russen in der Ukraine gestohlenes Getreide gekauft haben. Was ist an diesem Vorwurf dran?

Thomas Seibert: Satellitenbilder belegen, dass russische Frachter in eroberten ukrainischen Häfen Getreide geladen und dieses in Richtung Türkei transportiert haben. Die Schiffe tauchten später vor der türkischen Küste auf. Der Vorwurf ist also durchaus ernst zu nehmen.

Wie sehr hat dadurch das Vertrauen in die Türkei als Vermittlerin zwischen der Ukraine und Russland gelitten?

Das Verhältnis zwischen der Türkei und der Ukraine hat sich in letzter Zeit tatsächlich verschlechtert. Eines der fraglichen Getreideschmuggel-Schiffe soll lange vor der türkischen Küste gelegen haben, die Türkei liess es dann aber weiterfahren.

Die Türkei achtet darauf, keine der beiden Seiten vor den Kopf zu stossen.

Kiew bestellte daraufhin den türkischen Botschafter ein, und der ukrainische Botschafter in Ankara beschwerte sich öffentlich über den angeblichen Getreideschmuggel. Das ist schon ziemlich ungewöhnlich – schliesslich hatte die Türkei bislang stark darauf geachtet, weder die Ukraine noch Russland vor den Kopf zu stossen.

Verhandlungen in Istanbul

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Getreidespeicher.
Legende: Die Getreidespeicher sind voll in der Ukraine. Keystone

Militärvertreter Moskaus, Kiews und Ankaras sowie eine UNO-Delegation kommen am Mittwoch in Istanbul zusammen. Die internationale Gemeinschaft fordert von Russland seit Wochen, den Export von ukrainischem Getreide zu ermöglichen. Die Ukraine beklagt, dass durch die russische Kriegsmarine ihre Häfen im Schwarzen Meer blockiert seien. Russland wiederum streitet ab, Weizenexporte zu verhindern. Beide Länder gehören zu den grössten Weizenexporteuren und spielen eine wichtige Rolle für die Ernährungssicherheit in der Welt. Die UNO warnte zuletzt schon vor der grössten Hungersnot seit Jahrzehnten.

Laut türkischen Angaben sieht ein UNO-Plan zur Lösung der Krise unter anderem die Einrichtung eines Kontrollzentrums in der an der Meerenge Bosporus gelegenen Metropole Istanbul vor. Die Meerenge, über die die Türkei die Hoheit hat, ist der einzige Seeweg vom Schwarzen Meer ins Mittelmeer. (sda)

Wie neutral ist die Türkei noch in den Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine?

Die Türkei versucht weiterhin, ihre Vermittlerposition zu halten – auch wenn es zu Zwischenfällen wie eben dem Getreideschmuggel kommt. Sie ist nach wie vor eines der einzigen Länder, das mit beiden Seiten spricht. Präsident Erdogan trifft sich nächste Woche in Teheran mit Präsident Putin, kürzlich hat Erdogan auch mit Wolodimir Selenski telefoniert. Die Türkei bietet auch die Räumung von Minen vor der ukrainischen Küste an, damit die Getreidefrachter durchfahren können sowie eigene Frachter für den Getreidetransport auf die Weltmärkte.

Woher stammen die Minen vor der ukrainischen Küste?

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Zu Beginn des Krieges sei die Bedrohung eines militärischen Angriffs im Küstenraum vonseiten der Russen gross gewesen, sagt der Militärhistoriker Fritz Kälin von der Allianz Sicherheit Schweiz. Darum hätten die Ukrainer die Zonen vor den eigenen Häfen vermint. Dies zum Schutz. Für russische Seeminen gebe es aktuell keine Beweise, so Kälin.

Was bedeutet das für die Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine in Istanbul?

Es gibt international grosse Erwartungen, obschon die ebenfalls anwesende UNO die Erwartungen herunterspielt. So sagte UNO-Generalsekretär António Guterres, es gebe noch viel zu tun. Offen ist, wie die Getreidetransporte organisiert und militärisch geschützt werden können.

Die Ukrainer fordern Sicherheitsgarantien, damit die Russen das von Minen geräumte Gebiet nicht für einen Angriff nutzen.

Auch fordern die Ukrainer Sicherheitsgarantien, damit die Russen das von Minen geräumte Gebiet nicht für einen Angriff nutzen. Hier könnte ein militärisches Beistandsversprechen der Türkei eine Lösung bringen. Sicher ist: Heute wird das nicht alles geklärt werden können. Aber immerhin spricht man wieder miteinander.

Was ist als Ergebnis der Gespräche zu erwarten?

Wenn nach den heutigen Gesprächen ein Nachfolgetermin vereinbart werden kann, ist das schon ein Erfolg.

Das Gespräch führte Salvador Atasoy.

SRF 4 News, 13.07.2022, 07:20 Uhr ; 

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