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Gewalt in Zentralamerika Honduras im Würgegriff der Banden

Honduras hat noch immer eine der höchsten Mordraten der Welt. Das hängt mit der Bandengewalt zusammen. Seit Jahren kämpfen Banden, darunter die beiden grössten Mara Salvatrucha MS-13 und Barrio 18, um Einfluss in Honduras.

Das Quartier Rivera Hernández gilt als eine der gefährlichsten Gegenden von San Pedro Sula, der Stadt, die einst als Mordhauptstadt der Welt bekannt war. Rund 150'000 Menschen sollen hier im Quartier leben, so genau weiss es niemand. Einer davon ist der Familienvater und Restaurantbesitzer, den wir hier Mateo nennen. Der 33-Jährige heisst nicht wirklich so, aber wer in Rivera Hernández zu viel über die Banden erzählt, riskiert sein Leben.

Die Bande «Barrio 18» markiert ihr Territorium in San Pedro Sula.
Legende: Die Bande Barrio 18 markiert ihr Territorium in San Pedro Sula. SRF/Anna Lemmenmeier

Mateo ist in Rivera Hernández aufgewachsen. Das sei ein Vorteil und ein Nachteil. Viele der aktuell einflussreichen Gangmitglieder sind mit ihm zur Schule gegangen. Man kennt ihn. Aber weil er schon so lange da ist, weiss er auch viel. Vielleicht zu viel.

Einmal sei er mit seiner Frau vor dem Haus gestanden, als sie Schüsse hörten, erzählt er. Zwei Typen kamen mit Pistolen angerannt. Einer davon war ein Kollege aus dem Fussballclub. «‹Wie läuft's?›, sagte er mit der Pistole in der Hand. Und ich sagte: ‹Wie läuft's?›» An der Strassenecke, 50 Meter entfernt, hätten sie daraufhin drei Tote gefunden.

Gewalt gehört zum Alltag – von Kindesbeinen an

Die Gewalt hier im Quartier sei alltäglich. Das sei das Schlimmste für ihn, besonders als Vater, erzählt Mateo. Als seine Kinder sieben- und neunjährig waren, fand er auf seinem Handy ein Video, das die beiden aufgenommen hatten – von sich, beim Spielen. Darauf sind Schüsse zu hören. «‹Hm, mal schauen, ob es Tote gegeben hat›, sagt da eines meiner Kinder. Und dann spielen sie einfach weiter.» Und Mateo fragt sich, wie es sein kann, dass Kinder in diesem zarten Alter schon völlig normalisiert haben, dass Schüsse und Tote zum Alltag gehören.

In einem Hotel in Tegucigalpa weist ein Schild darauf hin, dass keine Waffen erlaubt sind.
Legende: In einem Hotel in Tegucigalpa weist ein Schild darauf hin, dass keine Waffen erlaubt sind. SRF/Anna Lemmenmeier

Seit den 1990er-Jahren macht die Bandengewalt Honduras zu schaffen. Die Maras und Pandillas, wie man die Gangs hier nennt, verdienen ihr Geld mit Drogen-, Waffen- und Menschenhandel, mit Erpressung oder Autoschieberei.

Mit den Jahren seien die Banden immer professioneller geworden, erklärt Soziologe Elvin Hernández: «Heutzutage ist es schwierig, die Bosse mit ihren Banden in Verbindung zu bringen.» Die Bandenchefs seien heute in erster Linie Geschäftsleute, tätig im Transportgeschäft oder im Immobiliensektor. Das ermögliche den Gangbossen, in die formelle Wirtschaft überzutreten.   

Der Soziologe Elvin Hernández beschäftigt sich mit Bandengewalt in Honduras.
Legende: Der Soziologe Elvin Hernández beschäftigt sich mit der Bandengewalt in Honduras. SRF/Anna Lemmenmeier

Und vor allem die Führungsriege der Mara Salvatrucha MS-13, der einflussreichsten Bande im Land, habe mittlerweile Kontakte in die höchsten politischen Ämter im Land. Die nun abtretende Regierung hatte versprochen, gegen die Banden zu kämpfen.

Ganz nach dem Vorbild des Nachbarlandes El Salvador hat auch Noch-Präsidentin Xiomara Castro einen Ausnahmezustand ausgerufen. Er ist seit drei Jahren ununterbrochen in Kraft und ermöglicht Festnahmen ohne Haftbefehl. Laut der Regierung ist die Mordrate seither gesunken. Laut Nicht­regierungs­organisationen ist die Zahl der Verschwundenen gleichzeitig gestiegen.

Echo der Zeit, 1.12.2025, 18 Uhr; herb

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