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Gewalt nach Tötungsdelikt Die Ereignisse von Chemnitz im Überblick

Der Auslöser: Am Rande des Chemnitzer Stadtfestes wurde in der Nacht auf Sonntag ein 35-jähriger Deutscher erstochen und zwei weitere Deutsche verletzt. Am Montag wurden Haftbefehle gegen einen Syrer und einen Iraker vollstreckt. Ihnen wird gemeinschaftlicher Totschlag vorgeworfen. Die 23 und 22 Jahre alten Männer sollen mehrfach «ohne rechtfertigenden Grund» auf das Opfer eingestochen haben, teilte die Chemnitzer Staatsanwaltschaft mit. «Nach dem bisherigen Erkenntnisstand bestand keine Notwehrlage für die beiden Täter», heisst es in der Mitteilung. Details zum Tathergang gab die Staatsanwaltschaft nicht bekannt.

Die Proteste: Nach Bekanntwerden der Tat zogen am Sonntag spontan Hunderte Menschen durch die Innenstadt von Chemnitz. Medienberichten zufolge, befanden sich unter den Demonstranten gewaltbereite Rechte, die gegen Ausländerkriminalität protestierten. Der Mitteldeutsche Rundfunk (MDR) berichtete von Rangeleien. Videos in Sozialen Medien zeigten Übergriffe auf Migranten. Die Stadt beendete aus Sicherheitsbedenken vorzeitig ihr Stadtfest. «Wenn ich sehe, was sich in den Stunden am Sonntag hier entwickelt hat, dann bin ich entsetzt», sagte Oberbürgermeisterin Barbara Ludwig dem MDR.

Am Montag hat es in der Chemnitzer Innenstadt eine Demonstration der rechten Bürgerbewegung «Pro Chemnitz» gegeben. Laut Polizei nahmen rund 6000 Menschen daran teil. Ihnen gegenüber standen rund 1500 Gegendemonstranten aus dem linken Spektrum. Beide Gruppen bewarfen sich mit Flaschen und Feuerwerkskörpern. Nach offiziellen Angaben wurden zwei Polizisten und 18 Demonstranten verletzt.

Die Rolle der Polizei: Die Polizei war mit knapp 600 Beamten im Einsatz und versuchte, unter anderem durch das Auffahren von Wasserwerfern oder den Einsatz von Pfefferspray beide Lager zu trennen. Dennoch kam es bei den Kundgebungen mehrfach zu Zusammenstössen. Ein Polizeisprecher hatte am Montagabend eingeräumt, dass die Polizei nicht mit dieser Zahl an Demonstranten gerechnet habe. Aufgrund «offensichtlich bundesweiter Mobilisierung» sei die Zahl der Demonstranten deutlich höher gewesen. Deutschlands Innenminister Horst Seehofer (CSU) hat Sachsen derweil Polizeiunterstützung des Bundes angeboten.

Die Reaktionen aus der Politik: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat die neuerlichen Ausschreitungen in Chemnitz als inakzeptabel verurteilt. «Was wir (...) gesehen haben, darf in einem Rechtsstaat keinen Platz haben», sagte sie mit Blick auf die Krawalle in am Montagabend. Innenminister Horst Seehofer (CSU) erklärte, dass die Betroffenheit der Bevölkerung über die Bluttat zwar «verständlich» sei. Sie rechtfertige aber «unter keinen Umständen den Aufruf zu Gewalt oder gewalttätige Ausschreitungen». «Hierfür darf es in unserem Rechtsstaat keinen Platz geben.» Aussenminister Heiko Maas (SPD) bezeichnete die Zustände in Chemnitz als «unerträglich».

«Es darf nicht der Anschein entstehen, dass es Räume und Orte gibt, in denen das Prinzip der Rechtstaatlichkeit nicht mehr gilt.»
Autor: Katarina Barley Bundesjustizministerin, SPD

Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) pochte auf das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit. «Es darf nicht der Anschein entstehen, dass es Räume und Orte gibt, in denen das nicht der Fall ist», erklärte sie in der Zeitung «Handelsblatt». Der Städte- und Gemeindebund wertete die Vorfälle als «schlechtes Zeichen für den starken Rechtsstaat». Grüne warfen Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) und der sächsischen Landesregierung Versagen vor.

Die sächsische Integrationsministerin Petra Köpping (SPD) sieht eine der Ursachen für die Ausschreitungen auch in der Flüchtlingspolitik der Bundesregierung. «Ich glaube, dass sich gerade in Ostdeutschland eine Menge aufgestaut hat, dass man nicht vorbereitet war auf die Migranten und geflüchteten Menschen, die nach Sachsen kommen», sagte sie

dem Südwestrundfunk (SWR).

Die AfD-Vorsitzende Alice Weidel gab auch den Medien eine Mitschuld an der aufgeheizten Stimmung. «Dass die Medien selbst friedliche Demonstranten als ‹rechtsextrem› bezeichnen, ist ein grosser Teil des Problems und trägt ebenfalls zur weiteren Spaltung bei», schrieb sie auf Facebook.

Registrierte Gewalttaten mit rechtsextremem Hintergrund 2017

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