Zum Inhalt springen

Header

Zur Übersicht von Play SRF Audio-Übersicht

Globale Jugendproteste Wie Gen Z mit Popkultur und neuen Medien die Welt verändert

Von Madagaskar bis Nepal, von Marokko bis Bangladesh begehren Jugendliche und junge Erwachsene auf: Die sogenannte Generation Z geht auf die Strasse, um gegen missliche Lebensbedingungen oder korrupte Regierungen zu protestieren – und das durchaus mit Erfolg. Tareq Sydiq vom Zentrum für Konfliktforschung in Marburg weiss mehr über den Protest der jungen Menschen.

Tareq Sydiq

Zentrum für Konfliktforschung Uni Marburg

Personen-Box aufklappen Personen-Box zuklappen

Dr. Tareq Sydiq ist wissenschaftlicher Projektmitarbeiter an der Universität Marburg und forscht zu Protesten in Autokratien und ist Autor des Buchs «Die neue Protestkultur». Ich habe ihn gefragt, ob es überhaupt legitim ist, hier von einem globalen Phänomen zu reden.

SRF News: Ist es legitim, von einem globalen Phänomen zu sprechen?

Tareq Sydiq: Das ist schwierig zu sagen, weil es häufig auch einfach Häufungen von Protesten sind. Sie müssen nicht unbedingt miteinander verknüpft sein. Dementsprechend wäre ich zurückhaltend, bis man genau weiss, ob und wo sich die Protestierenden vielleicht auch gegenseitig inspirieren.

Gruppe von Menschen jubelt mit erhobenen Armen auf der Strasse.
Legende: In Madagaskar – aber auch in Nepal, Bangladesch oder Marokko gehen vor allem junge Leute auf die Strasse. (13.10.2025) Reuters/SIPHIWE SIBEKO

Es ist aber schon so, dass solche Proteste, auch wenn sie erst mal nicht unbedingt einen Zusammenhang haben, zeitgleich stattfinden. Dann setzt die Globalität ein und die Protestierenden schauen nach rechts und links. Das ist auch bei den aktuellen Protesten so.

Wo liegen die Parallelen bei den aktuellen Protesten in unterschiedliche Weltregionen?

Eine signifikante Parallele besteht darin, dass die Proteste von jungen Menschen getragen werden. Wir sehen immer wieder, dass junge Menschen häufiger protestieren. Wir sehen auch junge Menschen, die enttäuscht sind von den politischen Strukturen und den politischen Handlungsmechanismen, die im eigenen Land existieren. Das heisst, es sind auch oft Antikorruptionsprozesse. Es geht dabei etwa um Gerechtigkeitsfragen und auch Mitspracherechte.

Gibt es konkrete Merkmale, die diesen Gen-Z-Protest ausmachen?

Auch da bin ich zurückhaltend. Ich glaube, es ist sehr länderspezifisch, wie genau protestiert wird und was die konkreten Forderungen und Inhalte sind.

Die jungen Protestierenden teilen weltweit eine Präsenz in den Sozialen Medien.

Auch die Ansprechpersonen unterscheiden sich jeweils. Die jungen Protestierenden teilen aber sicherlich weltweit eine Präsenz in Sozialen Medien und eine popkulturelle Affinität.

Protestsymbole: Totenkopf mit Strohhut

Box aufklappen Box zuklappen
Person hält Flagge mit Totenkopf und Strohhut.
Legende: Demonstrierende in der madagassischen Hauptstadt Antananarivo halten eine One-Piece-Flagge in die Luft. (3.10.2025) REUTERS/Siphiwe Sibeko

Es gibt viele Elemente von Animes, oder Videospielen, die letztlich in digitalen Räumen Teil von Popkultur geworden sind und sich jetzt auch in den Protesten wiederfinden lassen. Tarey Sydiq nennt das Beispiel des Totenkopfs mit einem Strohhut aus dem Anime One Piece. Dieser sei zu einem Teil dieser Jugendkultur geworden. «Das ist natürlich etwas, das schon vor 20 Jahren sehr populär war. Doch eben wegen dieses sehr hohen Wiedererkennungswerts stösst das Symbol auf einen grossen Resonanzraum.» In dieser Wiedererkennung liege die Attraktivität von diesen Symbolen.

Wie wichtig sind solche gemeinsamen Symbole?

Sie können Kommunikation erleichtern und liefern auch einen Wiedererkennungswert. Darin steckt auch etwas Subversives, mit dem man spielen kann. Ich vermute, die Symbole haben auch damit zu tun, dass wir jetzt als Beobachtende darüber sprechen, während vielleicht andere Elemente, die sehr wichtig sind für die Organisation, untergehen – weil wir sie nicht erkennen würden.

Inwiefern inspirieren und vernetzen sich die jungen Menschen gegenseitig?

Dass sich Protest über Grenzen hinweg ansteckt, ist ein ziemlich gut untersuchten Phänomen. 

In den popkulturellen Elementen ist eine Anschlussfähigkeit global gegeben.

Das gibt es einerseits auf einer regionalen Ebene, wenn etwa Aktivistinnen und Aktivisten sich persönlich kennen und dadurch auch ein gewisser Austausch existiert. Andererseits ist auch gerade durch diese globalen popkulturellen Elemente eine Anschlussfähigkeit global gegeben. 

Die Rolle von Sozialen Medien

Box aufklappen Box zuklappen

Junge Menschen mobilisieren sich über Soziale Medien. Dies ist kein neues Phänomen. Wir erinnern uns an den Arabischen Frühling, eine Reihe von Protesten in arabischen Ländern vor rund 15 Jahren. Seither hätten sich Soziale Medien aber massiv verändert, sagt Tareq Sydiq von der Uni Marburg. «Beispielsweise hat Twitter im Arabischen Frühling eine wichtige Rolle gespielt. Heute existiert es in der damaligen Form faktisch nicht mehr. Auch werden Soziale Medien viel stärker von Algorithmen gesteuert als früher. Wir haben enorm ausgeweitete Möglichkeiten der Zensur und Überwachung. Gerade in autokratischen Staaten, aber auch in Demokratien, gibt es viel mehr staatliche Eingriffe in Soziale Medien.» Zudem habe man heute nicht mehr diese eine Plattform, die alles liefert, sondern eine Vielzahl an Technologien, Räumen und verschiedener Milieus, die mobilisieren, erklärt Sydiq.

Was braucht es, damit solche Proteste nachhaltig etwas bewegen?

Es geht darum, wie die Gegenseite reagiert und inwiefern auch staatliche Akteure Fehler machen. Und auch, wie aus einem oft eher spontanen, von Empörung und Wut getriebenen Protest auch eine längerfristige politische Agenda wird. Letztlich bildet sich durch den Protest auch eine Art runder Tisch mit existierenden Machtakteuren. Wenn eine Regierung beispielsweise gestürzt wird, müsste diese Energie von der Strasse aus in den politischen Prozess übersetzt werden.

Das Gespräch führte Brigitte Kramer.

Echo der Zeit, 15.10.2025, 18 Uhr ; 

Meistgelesene Artikel