Von Madagaskar bis Nepal, von Marokko bis Bangladesh begehren Jugendliche und junge Erwachsene auf: Die sogenannte Generation Z geht auf die Strasse, um gegen missliche Lebensbedingungen oder korrupte Regierungen zu protestieren – und das durchaus mit Erfolg. Tareq Sydiq vom Zentrum für Konfliktforschung in Marburg weiss mehr über den Protest der jungen Menschen.
SRF News: Ist es legitim, von einem globalen Phänomen zu sprechen?
Tareq Sydiq: Das ist schwierig zu sagen, weil es häufig auch einfach Häufungen von Protesten sind. Sie müssen nicht unbedingt miteinander verknüpft sein. Dementsprechend wäre ich zurückhaltend, bis man genau weiss, ob und wo sich die Protestierenden vielleicht auch gegenseitig inspirieren.
Es ist aber schon so, dass solche Proteste, auch wenn sie erst mal nicht unbedingt einen Zusammenhang haben, zeitgleich stattfinden. Dann setzt die Globalität ein und die Protestierenden schauen nach rechts und links. Das ist auch bei den aktuellen Protesten so.
Wo liegen die Parallelen bei den aktuellen Protesten in unterschiedliche Weltregionen?
Eine signifikante Parallele besteht darin, dass die Proteste von jungen Menschen getragen werden. Wir sehen immer wieder, dass junge Menschen häufiger protestieren. Wir sehen auch junge Menschen, die enttäuscht sind von den politischen Strukturen und den politischen Handlungsmechanismen, die im eigenen Land existieren. Das heisst, es sind auch oft Antikorruptionsprozesse. Es geht dabei etwa um Gerechtigkeitsfragen und auch Mitspracherechte.
Gibt es konkrete Merkmale, die diesen Gen-Z-Protest ausmachen?
Auch da bin ich zurückhaltend. Ich glaube, es ist sehr länderspezifisch, wie genau protestiert wird und was die konkreten Forderungen und Inhalte sind.
Die jungen Protestierenden teilen weltweit eine Präsenz in den Sozialen Medien.
Auch die Ansprechpersonen unterscheiden sich jeweils. Die jungen Protestierenden teilen aber sicherlich weltweit eine Präsenz in Sozialen Medien und eine popkulturelle Affinität.
Wie wichtig sind solche gemeinsamen Symbole?
Sie können Kommunikation erleichtern und liefern auch einen Wiedererkennungswert. Darin steckt auch etwas Subversives, mit dem man spielen kann. Ich vermute, die Symbole haben auch damit zu tun, dass wir jetzt als Beobachtende darüber sprechen, während vielleicht andere Elemente, die sehr wichtig sind für die Organisation, untergehen – weil wir sie nicht erkennen würden.
Inwiefern inspirieren und vernetzen sich die jungen Menschen gegenseitig?
Dass sich Protest über Grenzen hinweg ansteckt, ist ein ziemlich gut untersuchten Phänomen.
In den popkulturellen Elementen ist eine Anschlussfähigkeit global gegeben.
Das gibt es einerseits auf einer regionalen Ebene, wenn etwa Aktivistinnen und Aktivisten sich persönlich kennen und dadurch auch ein gewisser Austausch existiert. Andererseits ist auch gerade durch diese globalen popkulturellen Elemente eine Anschlussfähigkeit global gegeben.
Was braucht es, damit solche Proteste nachhaltig etwas bewegen?
Es geht darum, wie die Gegenseite reagiert und inwiefern auch staatliche Akteure Fehler machen. Und auch, wie aus einem oft eher spontanen, von Empörung und Wut getriebenen Protest auch eine längerfristige politische Agenda wird. Letztlich bildet sich durch den Protest auch eine Art runder Tisch mit existierenden Machtakteuren. Wenn eine Regierung beispielsweise gestürzt wird, müsste diese Energie von der Strasse aus in den politischen Prozess übersetzt werden.
Das Gespräch führte Brigitte Kramer.