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Globale Klimaziele für COP30 Selbstbewusster EU-Kurs in globaler Klimapolitik verblasst

Auf dem Papier gilt das Ziel noch. Bis Mitte Jahrhundert muss die Europäische Union ihre klimaschädlichen Emissionen auf null senken im Vergleich zum Referenzjahr 1990. So weit so gut. Damit das alles nicht einem Blindflug gleichkommt, mit möglicherweise bösen Überraschungen in 25 Jahren, schreibt das EU-Klima-Gesetz Zwischenziele vor. Bis dann 2030 etwa muss die Hälfte des Weges erreicht sein.

Im globalen Vergleich ist das sowohl weitsichtig als auch vorbildlich. Und dringlich: Europa ist laut den aktuellen Berechnungen des Weltklimarates nämlich der Kontinent, der sich am stärksten und am schnellsten erwärmt.

Gute Ansätze in Gefahr

Also gab sich die EU den «Green-Deal» mit dem Ziel, massiv gegenzusteuern. Bis jetzt mit Erfolg. Die EU-Umweltagentur durfte Anfangs Jahr feststellen, dass die EU-Staaten die selbstgesetzten Reduktionsziele für 2030 knapp erreichen können. Voraussetzung wäre aber, dass alle Mitgliedsländer ihre Umsetzungspläne verschärfen.

Da liegt das Problem. Viele EU-Regierungen beschleunigen nicht beim Klimaschutz, sondern bremsen ab. Die Liste der Beispiele ist lang: Die Ausweitung des Emissionshandels auf Gebäude und Verkehr wird verwässert. Für das nächste verbindliche Reduktionsziel 2035 soll kein fixer Wert mehr gelten, sondern nur noch eine ungefähre Bandbreite. Wer die Emissionen um zwei Drittel bis drei Viertel senkt, erfüllt die Vorgaben.

Weitere Verwässerung befürchtet

Und auch beim Ziel 2040 schwinden die Ambitionen. Als Vorgabe gedacht war einmal 90 Prozent weniger CO₂-Emissionen. Neu kann dieses Ziel mit mehr als zweifelhaften Berechnungen erreicht werden. Wer etwa verspricht, viel Bäume zu pflanzen, oder CO₂ tief in der Erde zu binden, erhält eine Gutschrift, was bisher nicht vorgesehen war.

Mit anerkannten Klimazertifikaten den CO₂-Reduktionen ausserhalb der EU zu kompensieren, war ebenfalls verboten. Neu soll das möglich sein. Und sogar das 90 Prozent-Ziel an sich kann in Frage gestellt werden: Alle zwei Jahre soll nämlich eine Revision erfolgen. Gemeint ist natürlich eine Revision der Zielvorgaben nach unten.

Die vermeintlichen Schuldigen

Der EU-Klima-Kommissar fliegt also mit leichtem Handgepäck an die Klimakonferenz COP30 nach Brasilien. Weniger Ambitionen rechtfertigt eine Reihe von Mitgliedstaaten mit neuen wirtschaftlichen Realitäten: Hohe Energiepreise, chinesisches Dumping, amerikanische Zölle seien schuld.

Diese Begründung ist kurzsichtig und widerspricht der bisherigen Losung: Mehr Klimaschutz ergibt wirtschaftlich Sinn, weil grüne Technologien ein Wachstumstreiber seien. Wissenschaftler stimmen dem zu. Sie verweisen auch auf die hohen Kosten, welche tiefe Klimaschutz-Ambitionen verursachen.

Im Schnitt der letzten fünf Jahren verursachten Umweltschäden wegen der menschengemachten Erderwärmung in der EU Kosten von 50 Milliarden Euro pro Jahr. Tendenz massiv steigend. Entsprechende Ausgaben belasten die nationalen Haushalte jedes Jahr mehr. Doch dieses Problem explodierender Mehrausgaben müssen dereinst die EU-Finanzministerinnen und Minister lösen, nicht die Umweltministerinnen. Deren Aufgabe war ja einfach, einen Kompromiss zu finden – um jeden Preis.

Charles Liebherr

EU-Korrespondent

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Charles Liebherr ist EU-Korrespondent von Radio SRF. Davor war er unter anderem in der SRF-Wirtschaftsredaktion tätig, später war er Frankreich-Korrespondent. Liebherr studierte in Basel und Lausanne Geschichte, deutsche Literatur- und Sprachwissenschaft sowie Politologie.

Echo der Zeit, 04.11.2025, 18:00 Uhr

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