In der estnischen Hauptstadt Tallinn zahlen die Einwohnerinnen und Einwohner für die grüne ÖV-Karte einmalig zwei Euro. Dazu müssen sie ihre Wohnadresse angeben. Anschliessend können sie kostenlos mit den Trams und Bussen fahren. Besucherinnen und Besucher von ausserhalb bezahlen den normalen Tarif von zwei Euro pro Fahrt.
Diese freie Fahrt für die knapp 500'000 Bewohnerinnen und Bewohner von Tallinn gibt es seit sieben Jahren. Das Modell hat sich inzwischen in grossen Teilen Estlands durchgesetzt, sagt Tallinns Vizebürgermeister Taavi Aas. Elf der 15 Provinzen haben es nach dem Modell Tallinns eingeführt.
Bei der Bevölkerung kommt der kostenlose ÖV gut an. Die Menschen können dadurch Geld sparen. Für eine ganze Arbeiterfamilie mit mehreren Kindern kommen so schon einmal 50 bis 100 Euro an Ersparnissen pro Monat zusammen.
5 Prozent weniger Verkehr
Die Universität Tallinn hat den Gratis-ÖV untersucht und nun eine erste Mehrjahresstudie veröffentlicht. Es gebe Vor- und Nachteile.
Zu den Vorteilen gehörten die erwähnten Ersparnisse für die sozial schwächeren Bevölkerungsgruppen sowie der Rückgang des Individualverkehrs im Stadtzentrum von gut 5 Prozent.
Die Nutzung des öffentlichen Verkehrs stiegt um fast 20 Prozent. Dies habe jedoch auch dazu geführt, dass viele Tram- und Buslinien in den Pendlerzeiten Kapazitätsengpässe haben.
Ein weiterer Nachteil sei, dass viele Kinder und Jugendliche auf den ÖV umgestiegen sind, statt zu Fuss oder per Velo in die Schule zu gehen. Dies sei nicht unbedingt gut für die Gesundheit, so die Studie, weil ihnen dann die tägliche Bewegung fehle.
Mehr Steuerzahlerinnen und Steuerzahler
Finanziell hat sich die Reform für Tallinn jedoch gelohnt. Weil Personen, die in Genuss des Gratis-ÖV kommen wollen, eine gültige Wohnadresse angeben müssen, ist die Zahl der in der Stadt gemeldeten Steuerzahlerinnen und Steuerzahler gestiegen.
Diese Mehreinnahmen an Steuern übersteigen den Ausfall der Ticketeinnahmen im ÖV in Tallinn.