Munira Changa stillt ihr Baby auf einem ausrangierten Bürostuhl, mitten im Stadzentrum von Johannesburg. Sie blickt auf ein riesiges Gebäude, dessen Fenster zerbrochen und die Wände schwarz sind vom Feuer, das hier im August wütete und 77 Menschen tötete.
«Ich wohnte im vierten Stock und hatte Glück. Ich konnte über die Feuerleiter entkommen. Doch viele, die ich kannte, sind gestorben, ich kann es bis heute nicht fassen», murmelt sie, immer noch sichtlich geschockt.
Vor dem Brand waren die Hausbesetzer schon da
Munira Changa lebte mit mehr als 300 Personen zusammen. Jede Familie hatte sich innerhalb des Hauses eine Art Behausung gebaut. Sie wohnte nicht etwa gratis, sondern bezahlte rund 80 Franken Miete pro Monat an jene, die das Gebäude besetzten.
Tausende andere Südafrikanerinnen oder Migranten aus anderen afrikanischen Ländern, die im informellen Sektor ein paar Franken verdienen, leben in einer ähnlichen Situation. Laut einer Recherche der «New York Times» sind über hundert öffentliche Gebäude in Johannesburg besetzt, viele werden von Gangs kontrolliert.
Sechs Bürgermeister in einem Jahr
Vor zwanzig Jahren galt Downtown Johannesburg als Gefahrenzone für jene mit Handys und prallen Handtaschen. Vor zehn Jahren jedoch fand ein Wandel statt. Quartiere wurden renoviert, es gab Märkte und die Weissen, die während der Apartheid hier Feste feierten, wagten sich wieder zurück.
Doch seit in Johannesburg eine Koalitionsregierung die Geschicke der Stadt leitet, zerfällt die Infrastruktur quasi vor den Augen der Bevölkerung. Eine unterirdische Gasleitung explodierte mitten im Juli in der Stadt, es gab zwei Verletzte. Dann das Feuer im August und seither weitere kleine Feuer, die es nicht in die internationalen Schlagzeilen schafften.
«Ich stamme aus Johannesburg. Bis anhin haben die jeweiligen Regierungen wirklich versucht, etwas für die Stadt und die Menschen, die hier leben, zu machen», sagt der Sicherheitsbeamte John Makhuba, der zusammen mit seinem Kollegen dafür sorgt, dass das ausgebrannte Gebäude nicht wieder besetzt wird. «Doch seit die Koalitionsregierung an der Macht ist, sahen wir sechs Bürgermeister in einem Jahr. Und sie alle arbeiteten nur in ihre eigene Tasche.»
Eine Stadt, die niemand regiert
Diese Beobachtung macht auch Lauren Royston vom Institut für sozioökonomische Rechte. «Wir stellen eine Krise bei der lokalen Regierung fest. Dabei spielt die Koalition eine Rolle: Jede der Parteien denkt an die eigenen Vorteile und uns scheint, dass nicht gross regiert wird.»
Die Richtlinien existieren, aber sie werden nicht ausgeführt.
Das Institut setzt sich für die von der Verfassung verbrieften Rechte ein, zum Beispiel das Recht auf humanes Wohnen. Johannesburg habe eine Verantwortung den Bewohnerinnen gegenüber und auch Mittel zur Verfügung, betont Lauren Royston. «In der Planung für adäquates Wohnen sind öffentliche Räume, die man mieten kann, eine Option. Das heisst: die Richtlinien existieren, aber werden sie nicht ausgeführt.»
Wer heute durch Johannesburg fährt, stellt fest, dass die einst rückeroberten Quartiere von allen Seiten in Bedrängnis geraten. Sie gehen nahtlos über in Gegenden, wo Jungs mit Schlagstöcken mit einem Pfiff ankünden, dass Journalistinnen mit Kameras auftauchen und wo der Blick, nach oben gerichtet, auf zerbrochenen Scheiben landet, hinter denen sich ganze Lebensgeschichten türmen.
Daran wird sich so bald nichts ändern. Denn die Koalitionsregierung hat Johannesburg in den Bankrott geführt.