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Grossbritannien im Stillstand «Boris Johnson verursacht die maximale Instabilität»

Der späte Rücktritt des Premiers werde die Insel noch viel Zeit und Nerven kosten, sagt Experte Gerhard Dannemann.

Das Vereinigte Königkreich werde nach der Rücktrittsankündigung seines umstrittenen Premieministers innenpolitisch und auch in Bezug auf die EU noch Monate auf der Stelle treten, sagt Rechtsprofessor Gerhard Dannemann vom Grossbritannien-Zentrum der Humboldt-Universität zu Berlin.

Gerhard Dannemann

Grossbritannien-Spezialist

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Gerhard Dannemann ist Professor für englisches Recht sowie britische Wirtschaft und Politik an der Humboldt-Universität Berlin.

SRF News: Kommen auf Grossbritannien nun wieder ruhigere Zeiten zu?

Gerhard Dannemann: Leider nein. Boris Johnson hat seinen Abgang so gestaltet, dass er eine maximale Instabilität verursacht. Über 50 Mitglieder seiner Regierung – Minister, Staatssekretäre und Unterstaatssekretäre – mussten zurücktreten, bis er endlich verstanden hat, dass seine Zeit um ist.

Boris Johnson hat seinen Abgang so gestaltet, dass er eine maximale Instabilität verursacht.

Allein dieses Karussell wieder zu stoppen und die Stellen auch wieder zu besetzen, wird eine Weile dauern. Solange verfügt Grossbritannien nicht über eine effektive und handlungsfähige Regierung.

Welche direkten Folgen hat der Rücktritt von Johnson auf die britische Politik?

Die Politik wird jetzt eine Weile auf der Stelle treten. Viele Sachen werden gar nicht weiterentwickelt werden können. Es gab ohnehin schon einen Stau von Gesetzesvorhaben, die man hätte anpacken können. Das wird jetzt natürlich nicht besser, während die Tory-Partei mit einer riesengrossen Nabelschau beschäftigt ist und unter sich ausklügeln muss, wer da wen unterstützt. Dieser Prozess wird sehr viel politische Energie kosten. Und er wird bis auf Weiteres verhindern, dass wichtige Fragen in Grossbritannien angepackt werden.

Mit dem Rücktritt von Johnson ist auch ein Machtvakuum entstanden. Wie problematisch ist das in Bezug auf die globalen Probleme, etwa bei der Ukraine?

Bei der Ukraine würde ich mir gar keine Sorgen machen. Egal, wer da im Amt ist – die britische Politik wird die bisherige Linie weiterfahren und die Ukraine sehr klar unterstützen. Nicht nur mit Worten, sondern auch mit Taten und Waffen. Das ist völlig unstrittig zwischen allen Parteien, und da wird man Boris Johnson weiter unterstützen.

Bei der Bekämpfung des Klimawandels und bei vielen anderen Dingen wird nicht viel passieren.

Was nicht weitergehen wird, bis der Machtkampf gelöst ist, sind die steckengebliebenen Verhandlungen mit der Europäischen Union. Auch bei der Bekämpfung des Klimawandels und vielen anderen Dingen wird vermutlich im Moment nicht viel passieren.

Das Gespräch führte Adam Fehr.

HeuteMorgen, 08.07.2022, 06:00 Uhr ; 

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