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Grossdemonstrationen Wachsende Sorgen vor der AfD in Deutschland

In deutschen Grossstädten haben in den vergangenen Tagen zehntausende Menschen gegen die AfD demonstriert. Die Demonstrationen sind eine Reaktion auf Recherchen von «Correctiv» über ein rechtsextremes Treffen in Potsdam, an dem auch Politiker der AfD beteiligt waren. Dabei ging es unter anderem um Pläne für eine massenhafte Vertreibung von Menschen mit Zuwanderungsgeschichte. Eine Einordnung von SRF-Deutschlandkorrespondentin Simone Fatzer.

Simone Fatzer

Deutschland-Korrespondentin

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Simone Fatzer arbeitet seit 1998 für Radio SRF, unter anderem als Moderatorin der Sendung «Echo der Zeit» und als Dossierverantwortliche für Deutschland. Seit September 2021 ist sie Korrespondentin in Berlin.

Warum haben die Anti-AfD-Proteste so viel Zulauf?

Das Thema beschäftigt die Menschen in Deutschland stark – es treibt die Zivilgesellschaft von jung bis alt zu Zehntausenden in verschiedensten Städten auf die Strasse. Das zeigt: Der politische Druck gegen rechts wird erhöht, die Leute wollen die Demokratie verteidigen. Die Vorstellung, was Deutschland droht, sollten Rechtsextreme an die Macht kommen, macht ihnen offenbar grosse Sorgen. Das von «Correctiv» öffentlich gemachte Treffen in Potsdam hat nun dazu geführt, dass sich viele Menschen dazu gedrängt fühlen, öffentlich ein Zeichen zu setzen im Sinne von «Wehret den Anfängen».

Rechtsextremes Treffen in Potsdam

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Correctiv.
Legende: correctiv

In Potsdam haben sich laut der Recherche von «Correctiv» im vergangenen November AfD-Politiker mit Neonazis und Grossunternehmern getroffen, um über Pläne von «Remigration» zu sprechen. Dabei geht es um die Abschiebung und Vertreibung von Millionen Menschen aus Deutschland. Diese Pläne sind an sich nichts Geheimes, die AfD macht damit Wahlwerbung für die Europaabgeordneten-Wahl im Frühling. Trotzdem haben die Medienberichte jetzt zu einer Mobilisierung gegen rechts und zehntausenden Demonstrierenden in verschiedenen deutschen Städten geführt.

Wie steht es um ein mögliches Verbot der AfD?

Eine Online-Petition, die verlangt, dem rechtsextremen Thüringer AfD-Politiker Björn Höcke die politischen Grundrechte wegzunehmen, hat inzwischen mehr als 1.2 Millionen Unterschriften gesammelt. Allerdings ist es nicht einfach, einer Person diese Rechte zu entziehen. In der Geschichte der BRD wurde dies bislang viermal versucht, scheiterte aber jedes Mal juristisch. Gegner der Idee befürchten, dass man damit Höcke und die AfD zu Märtyrern macht. Ausserdem sagen Gegner des Verbots, man müsse die AfD inhaltlich herausfordern. Das aber fällt den anderen Parteien bislang äusserst schwer, vor allem was das Thema Migration angeht.

Welche Auswirkungen sind auf die Wahlen zu erwarten?

In Deutschland steht ein «Superwahljahr» an: Im Juni ist die EU-Wahl, im Herbst wird in den ostdeutschen Bundesländern Thüringen, Sachsen und Brandenburg gewählt. Laut Umfragen kommt die AfD dort derzeit auf bis zu 40 Prozent Wähleranteil. Deshalb dürften die Proteste gegen die AfD nicht so schnell enden – und sie dürften auch Auswirkungen auf die Inhalte und Tonlage der anderen Parteien haben. Interessant wird: Verhärten sich die Fronten? Welche Auswirkungen haben die Proteste auf die Mobilisierung zur Wahl? Steigt dadurch bei einigen Wählerinnen und Wählern das Unbehagen, AfD zu wählen und kann dadurch die neue Partei von Sahra Wagenknecht profitieren? Sicher scheint einzig: Das Thema wird präsent bleiben.

Regierung unterstützt Proteste gegen rechts

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Scholz und Aussenministerin Baerbock an der Demo.
Legende: X

Bundeskanzler Olaf Scholz hat die Demonstrationen in mehreren Orten Deutschlands gegen «Rassismus und Hetze» begrüsst. «Ich bin dankbar, dass Zehntausende in diesen Tagen überall in Deutschland auf die Strasse gehen – gegen Rassismus, Hetze und für unsere freiheitliche Demokratie», schrieb der Kanzler auf der Plattform X. Das mache Mut und zeige: «Wir Demokratinnen und Demokraten sind viele – viel mehr als diejenigen, die spalten wollen», fügte er hinzu.

Für die kommenden Tage sind weitere Kundgebungen, unter anderem in Frankfurt, geplant. Scholz hatte vergangenen Samstag selbst an einer solchen Kundgebung in Potsdam teilgenommen – in Begleitung von Aussenministerin Annalena Baerbock. (reuters)

Rendez-vous, 17.1.2024, 12:30 Uhr ; 

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