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Waffengewalt an US-Schulen: Kampf für strengere Waffengesetze
Aus 10 vor 10 vom 22.05.2023.
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Häufigste Todesursache Die Primarschülerin aus Texas, die gegen Waffengewalt kämpft

Caitlyne bindet sich die Haare sorgfältig zusammen, gleich wird sie von einem grossen US-Sender interviewt. Das Zimmer der 11-Jährigen voll mit Stofftieren – aber auch mit Fotos von Kindern. Viele von ihnen sind tot.

«Ich gehe manchmal zum Friedhof und erzähle ihr von meinem Tag», sagt Caitlyne Gonzalez und zeigt auf das Foto eines Mädchens. «Ich reise durch die Welt für sie.»

Kreuze vor einer Grundschule.
Legende: Die Robb-Elementary-School ist seit dem Massaker geschlossen. Kreuze erinnern an die 19 Kinder und zwei Lehrerinnen, die von einem 18-Jährigen mit Maschinengewehr erschossen wurden. viele Kreuze vor Schule

Caitlyne Gonzalez hat das Massaker an ihrer Schule in Uvalde am 24. Mai 2022 überlebt, eine Kugel flog über ihren Kopf. Doch sie hat ihre beste Freundin Jackie verloren. Seither spricht die 11-jährige Caitlyne an Kundgebungen und gibt Interviews. «So kann ich der Welt erzählen, warum es so wichtig ist, die Waffengesetze zu ändern.»

Mädchen sitzt auf Bett mit Plüschtier und Buttons an der Wand
Legende: Caitlyne Gonzalez hat Buttons mit dem Foto ihrer besten Freundin Jackie neben ihrem Bett an der Wand befestigt. Früher machten die beiden hier gemeinsame Übernachtungsparties. SRF

Ein 18-jähriger ehemaliger Schüler tötete mit einem Maschinengewehr 19 Kinder und 2 Lehrerinnen in der Robb-Primarschule in Uvalde, Texas. Die Waffe hatte er kurz davor legal gekauft. Die Attacke am 24. Mai 2022 war eine der fatalsten in den USA. Angriffe mit Schusswaffen in Schulen sind in den letzten Jahre immer häufiger geworden.

Frau und Tochter vor blumengeschmücktem Kreuz
Legende: Gloria und Jazmin Cazares dekorieren die Gedenkstätte für Jackie neu. Ihr Engagement gegen Waffengewalt hilft ihnen, durch den Tag zu kommen. SRF

Jackies Tod quält ihre Mutter und Schwester jeden Tag. «Sie war keck. Aber sie hatte ein grosses Herz. Ihre Umarmungen, ihr ‹Ich liebe dich›, vermisse ich am meisten», sagt ihre Mutter Gloria Cazares. Sie besucht zusammen mit der älteren Schwester von Jackie, Jazmin, die Gedenkstätte im Zentrum von Uvalde.

Auch die beiden haben sich dem Kampf gegen Waffengewalt verschrieben, fordern strengere Gesetze. Doch ihr politisches Engagement habe zu Konflikten in ihrem Umfeld geführt, sagt Jazmin Cazares. «Viele wandten sich ab, das war schon unerwartet. Aber wir sind in Texas, wo den Leuten ihre Waffen wichtiger sind als tote Kinder.»

Graffittis auf Fassade, zwei Mädchen, eines neben Eiffelturm
Legende: Die getöteten Kinder sind auf den Fassaden von Uvalde verewigt, zusammen mit ihren Träumen. Jackie träumte davon, den Eiffelturm zu besuchen. SRF

Letztes Jahr sind über 1500 Kinder in den USA durch Schusswaffen getötet worden. Ein trauriger Rekord. Statt Verkehrsunfälle sind inzwischen Schusswaffen die häufigste Todesursache bei Minderjährigen in den USA.

Grafik: In den USA sterben mehr Minderjährige an Schusswaffen als bei Verkehrsunfällen.
Legende: In den USA sterben mehr Minderjährige an Schusswaffen als bei Verkehrsunfällen. SRF

Waffengewalt bedroht Kinder in den USA überall

Box aufklappen Box zuklappen

Der Arzt Chethan Sathya, Direktor des Präventionszentrums gegen Waffengewalt bei Northwell Health, sagt, Massaker wie in Uvalde machten weniger als 1 Prozent der Opfer aus. Kinder werden häufig in der Freizeit oder zu Hause von einer Kugel getroffen. Sathya fordert, Waffen aus dem Blickwinkel der öffentlichen Gesundheit gesetzlich zu regeln. «Zum Autofahren braucht man einen Führerausweis. Aber um eine Waffe zu kaufen, braucht es oft fast nichts in den USA.» Mit dem Ansatz der öffentlichen Gesundheit habe man auch die Zahl der Opfer im Verkehr oder durch Zigaretten senken können. Er hofft, die Diskussion um Waffengewalt aus der politisch blockierten Situation herauszuholen. Es brauche viele verschiedene Massnahmen, wie Regeln zur sicheren Aufbewahrung von Waffen oder Personenüberprüfungen beim Kauf.

In Uvalde gibt es in einem Outdoor-Shop auch Schusswaffen zu kaufen. Strengere Waffengesetze kommen hier nicht gut an. Ein pensionierter Mann, der in der Umgebung eine Ranch hat, will anonym bleiben. Er sagt: «Nicht die Waffen töten Menschen. Menschen töten Menschen. Man kann auch mit einem Messer oder einem Besenstiel töten.» Auf den Einwand, dass es aber viel schwieriger sei, mit einem Stock zu töten als mit dem in den USA beliebten AR-15-Maschinengewehr, sagt er, die AR-15 sei, wie jedes andere Gewehr, aus schwarzem Plastik.

Grafik: Noch nie gab es in den USA so viele Schiessereien an Schulen wie zurzeit.
Legende: Trauriger Rekord: Noch nie gab es in den USA so viele Schiessereien an Schulen wie zurzeit. SRF

So wie er denken viele in Texas. Strenge Waffengesetze haben in den USA politisch kaum eine Chance. Konservative Bundesstaaten wie Texas wehren sich gegen strengere Waffengesetze, ja lockern sie teils gar. Linksliberale Bundesstaaten haben zwar strengere Waffengesetze – doch kürzlich hat die konservative Mehrheit am Höchsten Gericht ein solches für verfassungswidrig erklärt.

Mädchen frisiert sich vor spiegel
Legende: Caitlyne macht sich bereit für ein Fernsehinterview. SRF

Caitlyne geht jede Woche in Therapie, um ihre posttraumatische Belastungsstörung zu überwinden. Ihre Mutter Gladys Gonzalez erzählt von der schwierigen Zeit für ihre Tochter: «Nach dem 24. Mai musste ich während neun Monaten neben meiner Tochter schlafen. Sie hatte regelmässig Albträume und viele Panikattacken.»

Mädchen kommt aus Schule
Legende: Caitlyne geht in eine neue Schule. Sie fühle sich dort sicher. Nur manchmal machen ihr zuschlagende Türen oder ein Sicherheitsübung, ein «Lockdown drill», zu schaffen. SRF

Caitlyne wirkt tapfer. «Ich habe Flashbacks. Es ist hart. Aber ich werde es überwinden.» Ihre Auftritte gegen Waffengewalt hälfen ihr in ihrem Schmerz, sagt die Mutter. Caitlyne sagt, sie spreche öffentlich, weil ihre Freunde es nicht mehr können. Sie hat sich einem gigantischen Kampf verschrieben, denn bisher waren strengere Waffengesetze in den USA ein fast aussichtsloses Unterfangen.

10vor10, 22. Mai 2023, 21:50 Uhr

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