Boris Johnson hat ein Talent, über das nur wenige Politiker verfügen. Er bringt die Menschen zum Lachen. Kermit der Frosch, habe sich getäuscht, sagte Johnson kürzlich vor der UNO-Vollversammlung. Grün zu sein, sei gar nicht so schwer, wie der Frosch immer behauptet habe. Dies zeige die Klimapolitik Grossbritanniens.
Mit dieser Pointe erheiterte Johnson die Welt in New York, mit der Realität zu Hause hatte sie jedoch wenig zu tun. Der Kollaps des britischen Tankstellen-Netzes und die steigenden Gaspreise zeigen, wie schmerzhaft das Vereinigte Königreich immer noch von fossilen Brennstoffen abhängig ist.
Die Episode zeigte vor allem eines: Der Premierminister ist ein Journalist geblieben. Eine gute Geschichte ist ihm immer noch wichtiger, als eine Strategie – und gelegentlich selbst als die Wahrheit.
Slogans statt Lösungen
Die Methode wird von der Opposition regelmässig unterschätzt. Während sich Labour unter Keir Starmer in internen Grabenkämpfen verstrickt, bespielt Johnson die grosse Arena. Mit vielversprechenden Slogans wie «Take back control» und «Global Britain» hat er seine Tories zum Erfolg geführt. Die Pandemie hat den Premierminister fast das Leben gekostet, aber sie hat ihn auch geschützt. Dass seine Wahlversprechen bis heute Worthülsen geblieben sind, geht im Schatten der globalen Gesundheitskrise fast vergessen.
Mit der zügigen und unbürokratischen Beschaffung einer Covid-Impfung ist der konservativen Regierung zwar unbestritten ein Erfolg gelungen, den die Britinnen und Briten zu schätzen wissen. Doch die Impfung verliert an Wirkung. Das politische Kapital des Vakzins schrumpft mit jedem Tag mehr.
Denn eine giftige Kombination von Unterbrüchen in den globalen Lieferketten, Folgeschäden des Brexits und wirtschaftlichen Nebenwirkungen der Pandemie führen in Grossbritannien zu massiven Engpässen. Steigende Lebensmittel- und Energiepreise und Steuern lassen die Lebenskosten von Millionen von britischen Familien bedrohlich steigen. Viele Leute im Vereinigten Königreich fürchten sich vor einem harten Winter.
Johnsons Umfragewerte leiden
Das schlägt auf die Stimmung und die Umfragewerte. Sie gehen abwärts: Die Konservativen verfügen gegenüber Labour zwar immer noch über einen Vorsprung, aber die Popularität von Johnson nimmt ab. Seine Basis wird ihn in Manchester immer noch feiern, aber das kann sich rasch ändern.
Gerade die konservative Partei ist wenig zimperlich, wenn es darum geht, einen Partei-Vorsitzenden zu entsorgen, wenn er zur Last wird. Wenn Johnson also weiterhin an der Macht bleiben will, muss er sich ziemlich bald eine gute Geschichte ausdenken. Denn, wenn alles drunter und drüber geht, wünscht sich das Publikum in der Arena keinen Clown, sondern einen Zirkusdirektor, der das Geschehen unter Kontrolle hat.