Emmanuel Macron hält gerne lange Reden. Dass er auch anders kann, zeigte ein Interview mit dem französischen Sender RTL. Im Flugzeug nach Paris zog er eine persönliche Bilanz zur ersten Hälfte seiner Amtszeit: «Ich habe gelernt, dass ich mit meiner Ungeduld bei den Franzosen das Gefühl verursacht habe, dass ich das Land gegen ihren eigenen Willen verändern will.» Das Gegenteil sei wahr.
Ich will mir mehr Zeit nehmen und erklären, warum diese Reformen notwendig sind.
Diesen Eindruck hatte Präsident Macron freilich aktiv gefördert. Seine Bemerkung bei einem Staatsbesuch in Dänemark, widerspenstige Gallier wollten alle Reformen verhindern, hatte in Frankreich Empörung ausgelöst. Und Macron den Ruf eingebracht, ein abgehobener «Jupiter-Präsident» zu sein, ohne Kontakt zum Volk.
Doch dann zwang ihn die Protestbewegung der «Gilets Jaunes» in die Knie. Macron zog die geplante Erhöhung der Treibstoffsteuern wieder zurück. Seither geht er häufiger auf Tuchfühlung mit dem Volk, will aber weiter auf Reformkurs bleiben, wie er im Interview mit RTL erklärt: «Ich will mir aber mehr Zeit nehmen und erklären, warum diese Reformen notwendig sind.»
Rentenreform als Lackmustest
Dies zeigt Präsident Macrons Vorgehen bei der angekündigten Rentenreform. Politisch ist dies das brisanteste Projekt dieser Amtszeit. Eine einheitliche Altersvorsorge mit einheitlichen Prämien und einheitlichem Rentenalter 62. Eine solche Reform hat enormes Konfliktpotenzial.
Zum Beispiel beim Personal der Staatsbahn SNCF. Zugführer können sich dort bereits mit Mitte 50 pensionieren lassen. Künftig müssen sie nicht nur länger arbeiten, sondern auch mit einer tieferen Rente rechnen. Anders als vor einem Jahr signalisiert Präsident Macron diesmal Flexibilität.
Macron drosselt seine Ambitionen
Ursprünglich sollte das neue System ab 2025 gelten. Inzwischen spricht Macron von einem langsamen Übergang, der bestehende Rechte für das aktuelle Personal nicht antaste. Einheitsrente und Rentenalter würden dann ab etwa 2050 für alle eingeführt. Damit hängt Macron seine Ambitionen deutlich tiefer, auch wenn er dies bestreitet.
Mit der Rentenreform steht für ihn viel auf dem Spiel. Die Pläne der Regierung haben grosse Unruhe ausgelöst. Bereits haben die Gewerkschaften für Anfang Dezember zum Generalstreik aufgerufen. Mit seiner neuen Dialogbereitschaft versucht Macron, die Gemüter zu besänftigen.
Er weiss: Wenn solche Streiks länger dauern, wird dies die gesamte Wirtschaft bremsen und der Regierung den Jahresabschluss verderben. Zieht er den Vorschlag zurück, wird dies Macrons zweite Halbzeit belasten. Wie dies seit über zwanzig Jahren auch bei seinen Amtsvorgängern der Fall war.
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