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Handel mit Getreide Es ginge auch ohne die Russen

In den vergangenen Wochen wurde innerhalb und ausserhalb der UNO intensiv verhandelt, um Russland zu einer Verlängerung des Getreideabkommens zu bewegen. UNO-Generalsekretär António Guterres war unermüdlich unterwegs. Vergeblich.

Moskau kündigt das Abkommen zur Verschiffung von ukrainischem Getreide über das Schwarze Meer auf. Erst wenn sämtliche russischen Forderungen für den Export von Düngemitteln und dem eigenen Getreide erfüllt seien, werde man sich wieder an die Vereinbarung halten, lässt der Kreml verlauten.

Das Abkommen als Erpressungsmittel

Die westlichen Sanktionen gegen Russland betreffen zwar russische Dünge- und Lebensmittelexporte nicht. Aufgrund von generellen Einschränkungen im Handels- und Finanzverkehr sowie bei den nötigen Versicherungen und in der Logistik sind die Ausfuhren allerdings trotzdem erschwert.

Offenkundig ist aber auch: Russland nutzt das Getreideabkommen als Erpressungsmittel, um Sanktionserleichterungen in anderen Bereichen zu erwirken.

In den nächsten Stunden und Tagen werden die Bemühungen, Russland zum Einlenken zu bewegen, weiterlaufen. Zumal die Kündigung des Getreideabkommens vor allem für arme Länder gravierende Konsequenzen haben wird. Die Getreidepreise dürften nun weltweit rasch und stark ansteigen. In Drittweltstaaten machen die Ausgaben für Lebensmittel einen grossen Teil des Haushaltsbudgets der Bürgerinnen und Bürger aus. Höhere Preise haben für viele harte Konsequenzen.

Die Chancen auf eine rasche Einigung mit Russland gelten indes als schlecht.

Riskante Alternativen zur russischen Beteiligung

Gleichzeitig dürften jetzt Überlegungen konkreter werden, mit ukrainischen Getreideexporten auch ohne Abkommen und damit ohne russische Billigung fortzufahren. Denn, so die Einschätzung: Russland ist derzeit nicht mehr imstande, jene ukrainischen Häfen, die sich noch unter Kiews Kontrolle befinden, tatsächlich zu blockieren. Und die Frage ist, ob Russland tatsächlich Getreidefrachter angreifen würde, die mehrheitlich gar nicht unter ukrainischer Flagge operieren.

Eine solche Umgehung wäre ein pragmatischer Ausweg. Aber eben auch ein risikoreicher, da man nicht weiss, wie Moskau reagieren würde, und man den Russen mittlerweile fast alles zutraut.

Fredy Gsteiger

Diplomatischer Korrespondent

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Fredy Gsteiger ist diplomatischer Korrespondent und stellvertretender Chefredaktor bei Radio SRF. Vor seiner Radiotätigkeit war er Auslandredaktor beim «St. Galler Tagblatt», Nahost-Redaktor und Paris-Korrespondent der «Zeit» sowie Chefredaktor der «Weltwoche».

Hier finden Sie weitere Artikel von Fredy Gsteiger und Informationen zu seiner Person.

SRF4 News aktuell, 17.07.23, 05:00 Uhr

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