Von Donnerstag an erheben die USA neue Zölle auf weitere chinesische Waren. Es geht um Güter im Wert von 16 Milliarden US-Dollar. Dieses Mal trifft es unter anderem Produkte der Elektronikbranche, Chemikalien und Elektro-Roller. China hat angekündigt, im gleichen Umfang zurückzuschlagen.
SRF-Nordostasien-Korrespondent Martin Aldrovandi erklärt die Auswirkungen der Zölle auf die chinesische Wirtschaft – und was China dagegen tun kann.
SRF News: Derzeit laufen wieder Verhandlungen zwischen den beiden Ländern. Glaubt man in China, dass sich der Konflikt mit Verhandlungen lösen lässt?
Martin Aldrovandi: Nicht unbedingt. Im Frühling gab es bereits eine vorläufige Einigung, von der dann US-Präsident Donald Trump nichts mehr wissen wollte. Seither ist man hier etwas ratlos, wie die Sache weitergeht.
Die Hoffnungen auf einen Durchbruch sind hier sehr klein.
Die aktuellen Verhandlungen finden nur auf mittlerer Stufe statt. Trump selbst sagte, er habe keine grossen Hoffnungen auf einen Durchbruch. Insofern sind die Hoffnungen hier sehr klein.
Zuletzt verhängten die USA im Juli bereits Zölle auf Waren im Wert von 34 Milliarden Dollar. Werden die Auswirkungen dieses Handelsstreits in China spürbar?
Wenn es so weitergeht, wird das Wirtschaftswachstum Chinas beeinträchtigt werden. Wie stark, ist noch unklar. Dabei läuft es der Wirtschaft momentan sowieso nicht mehr so gut wie früher. Die Konsumenten merken die Zölle vereinzelt bei aus den USA importierten Produkten.
Ausserdem haben Unternehmen, die hier in China produzieren und in die USA exportieren, Pläne, in solche Länder zu ziehen, die nicht von den US-Zöllen betroffen sind. Langfristig wird das sicher ein Problem, zumal derzeit kein Ende des Streits absehbar ist.
China verkauft in den USA viel mehr Produkte als die USA in China. Kann China diesen Handelsstreit nur verlieren, da man weniger Waren mit Zöllen belegen kann?
Das stimmt. China würde vor den USA die Luft ausgehen. Und Trump hat bereits mit zusätzlichen Zöllen auf alle chinesischen Produkte gedroht. Da könnte China nicht mithalten. Aber das Land hat andere Möglichkeiten. Eine Reihe von US-Unternehmen ist in China präsent – von Starbucks bis Apple. Diese setzen auf den wachsenden chinesischen Markt.
Chinesen vermuten, dass sich die USA vor einem zunehmend selbstbewussten China fürchten.
Die chinesischen Behörden könnten nun diesen US-Konzernen mit zusätzlichen Kontrollen, Schikanen, mehr Behördengängen oder Beanstandungen das Leben schwermachen. Dass China dazu imstande ist, zeigten die Behörden letztes Jahr mit koreanischen Unternehmen. Da gab es einen Streit, und ein koreanisches Warenhaus wurde de facto vom chinesischen Markt verdrängt. So weit sind wir im Fall der US-Konzerne noch nicht, aber diese Option steht China offen.
Was glauben die Kommentatoren in den chinesischen Medien, was der Grund dafür sei, dass die USA die Konfrontation in diesem Ausmass suchen?
Hier hört man den Verdacht, dass die USA China kleinhalten wollen. Dies zu dem Zeitpunkt, in dem China auch wirtschaftlich global aufsteigt, und der grössten Volkswirtschaft der Welt den ersten Platz streitig macht. Das gilt auch für die Forschung: Man denke an Chinas Plan, in der globalen Wertschöpfungskette mit immensen Investitionen zum Beispiel in den Bereich der künstlichen Intelligenz aufzusteigen. Die Vermutung ist, dass sich die USA vor einem zunehmend selbstbewussten China fürchten.
Das Gespräch führte Salvador Atasoy.