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Heftige Kämpfe in Sudan Nur weg aus Khartum – wenn irgend möglich

Wer kann, verlässt Sudan oder flieht in ländliche Gebiete. Geschafft haben das auch Amal und ihre Geschwister.

«Es war der ganzen Familie klar, dass nun der Zeitpunkt gekommen war, um zu fliehen», erzählt die junge Frau, die wir hier Amal nennen. «Wir hatten seit fünf Tagen weder Strom noch Wasser.»

Die letzten Tropfen Trinkwasser seien aufgebraucht gewesen, in der Nachbarschaft fielen Bomben. «Die Milizen drangen ein und wir hatten Angst, dass wenn wir jetzt nicht gehen, wir hier gar nicht mehr rauskommen.»

Wir hatten Angst, dass wenn wir jetzt nicht gehen, wir hier gar nicht mehr rauskommen.
Autor: Amal Junge Frau aus Khartum auf der Flucht

Ausserdem sorgte sich die ganze Familie um Amals 17-jährige Schwester, die in ihrer Universität festsass, die von Milizen eingenommen worden war. Nach fünf Tagen, während derer sie wegen der Kämpfe nicht aus dem Haus konnten, machten Amal und ihr Bruder sich darum letzte Woche auf, um ihre Schwester zu retten.

Beängstigende Szenen in den Strassen

Sie sei schockiert gewesen ob der beängstigenden Szenen: «Überall fliehende Menschen mit ihrem Hab und Gut auf dem Kopf, weinende Kinder, die Bomben im Hintergrund und nirgends gab es Transportmittel, weder öffentliche noch private.» Alle seien zu Fuss geflohen.

Ausländer verlassen Khartum und Sudan

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Menschen mit Koffern.
Legende: Reuters/El Tayeb Sidding

Über der sudanesischen Hauptstadt Khartum liegt Rauch, Schüsse hallen durch die Luft. Die Kämpfe zwischen der Armee und den paramilitärischen Rapid Support Forces (RSF) gehen unvermindert weiter, die Lage ist unübersichtlich.

Zehntausende Menschen seien inzwischen aus dem Land geflohen, meldet die UNO. Das Internet ist immer wieder unterbrochen, es ist schwierig Kontakte in Sudan zu erreichen. Doch klar wird: In Khartum wird immer noch gekämpft, Nahrungsmittel, Wasser und Medikamente werden immer knapper.

Derweil gehen die Evakuierungen der Ausländerinnen und Ausländer weiter, die meisten Staaten haben ihr Botschaftspersonal inzwischen abgezogen und ausser Landes gebracht. Die Sudanesinnen und Sudanesen ihrerseits befürchten, dass die Kämpfe noch intensiver werden und die Gewalt noch mehr zunehmen könnte, wenn keine internationalen Beobachter mehr vor Ort sind.

Viele, vor allem junge Menschen in Sudan, haben während Jahren Woche für Woche für Demokratie und gegen die Militärregierung demonstriert. Sie machten klar, dass den Militärs nicht zu trauen sei. Trotzdem bot die internationale Gemeinschaft den Militärs Hand, um an der Herrschaft zu bleiben. Und jetzt, da das Land im Chaos versinkt, verlassen die Ausländer Sudan und überlassen die Menschen dort ihrem Schicksal. Viele Sudanesinnen und Sudanesen sind deshalb enttäuscht – und wütend.

Die Flucht schien für alle der einzige Ausweg, erzählt die 23-jährige Studentin. Ihre Familie hatte Glück. Sie besitzt ein Auto. Das befand sich in der Nähe der Uni der jüngeren Schwester. Amal und ihr Bruder schafften es mit Hilfe von Freunden, dorthin zu gelangen und gemeinsam mit der Schwester Khartum zu verlassen.

Teure Autos werden von Kämpfern gestohlen

Sie hätten vier Checkpoints der paramilitärischen Rapid Support Forces passieren müssen. «Wir hatten solche Angst. Vor uns waren zwei Jungs in einem grossen Auto. Die Milizen konzentrierten sich auf sie.»

In den sozialen Medien hätten viele erzählt, dass die Milizen grosse Autos an den Checkpoints stehlen. «Wir hatten darum Glück. Sonst hätten uns die Milizen wohl auch alles abgenommen, was wir hatten: Geld, Handy, Laptop.»

Die Flucht in eine Kleinstadt südlich von Khartum, eine Reise, die normalerweise zwei Stunden dauert, dauerte zehn Stunden. Nun ist die Familie im Haus der Grosseltern, Amal fühlt sich dort sicher.

Während Jahren für Demokratie gekämpft

Die 23-Jährige gehört der Generation an, die seit 2018 für Demokratie in Sudan kämpft. Die Demonstranten brachten den Langzeit-Diktator Omar al-Baschir zu Fall. Während Jahren gab es jede Woche Proteste gegen die Herrschaft der beiden Militärs, die sich nun offen bekämpfen.

Amal hat den Militärs stets misstraut und ist trotzdem erschüttert über die aktuelle Situation. «Ich hatte Schlimmes erwartet und dennoch keine derart schlimme Situation...» – und dann fehlt Amal die Sprache.

Rendez-vous, 24.4.2023, 12:30 Uhr

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