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Unruhen in Sudan Droht im Osten Afrikas ein Flächenbrand?

Seit Samstag kämpfen im Sudan die zwei mächtigsten Generäle des Landes und ihre Einheiten um die Vorherrschaft. Die zwei Männer führten das Land im Nordosten Afrikas mit rund 46 Millionen Einwohnern seit einem gemeinsamen Militärcoup im Jahr 2021. Nach UNO-Angaben wurden durch die Gefechte mindestens 185 Menschen, Zivilisten wie Kämpfer, getötet und 1800 Personen verletzt.

Alan Boswell leitet das Projekt «Horn von Afrika» der International Crisis Group und kennt den Sudan genau. Die Gefahr einer Eskalation in der Region um das Rote Meer ist für ihn durchaus im Bereich des Möglichen.

Alan Boswell

International Crisis Group

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Alan Boswell ist Direktor der Crisis Group für das Horn von Afrika und leitet die Forschung der Organisation zu Äthiopien, Sudan, Südsudan und regionalen Dynamiken.

SRF News: Wie hoch ist die Gefahr eines Bürgerkriegs in Sudan?

Alan Boswell: Aktuell herrschen in Sudan bürgerkriegsähnliche Zustände, aber sie könnten noch eingedämmt werden. Die Situation ist ernst, beide Parteien haben ihre Lager im ganzen Land. Gelingt es nicht bald, ein Waffenstillstand herzustellen, fragmentiert sich der Konflikt. Nebst den zwei Hauptkonfliktparteien in Sudan gibt es eine grosse Menge an bewaffneten Gruppen im Land. Wenn diese Gruppen sich ebenfalls beteiligen und Partei ergreifen, endet das Ganze in einem komplizierten Krieg und es wäre nur eine Frage der Zeit, bis sich auch Akteure ausserhalb des Landes einmischen würden.

Waffenruhe gescheitert

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Am Dienstagabend zerschlugen sich vorerst Hoffnungen auf eine mögliche Waffenruhe, die zuvor laut Vertretern beider Seiten für den Abend (18.00 Uhr MESZ) angesetzt worden war. Die Kämpfe in Khartum seien ununterbrochen weitergegangen, berichtete eine Reporterin der Nachrichtenagentur dpa vor Ort.

Auch Medienberichten und Augenzeugen auf Twitter zufolge waren Explosionen und Schüsse zu hören. Es war die dritte gescheiterte Feuerpause seit Beginn der Gefechte am Samstag. Seitdem kamen laut der UNO 270 Menschen ums Leben, 2600 wurden verletzt.

Die RSF warf der sudanesischen Armee am Dienstag bereits um 18.14 Uhr in einer Mitteilung auf Twitter den «Verstoss gegen die unter internationaler Vermittlung vereinbarte Waffenruhe» vor. «In den ersten Stunden der erklärten Waffenruhe» sei es zu Angriffen auf RSF-Kräfte gekommen, hiess es. Diese Angaben liessen sich nicht unabhängig überprüfen. Bereits am Sonntag und Montag waren vereinbarte dreistündige Waffenruhen gescheitert.

Die G7-Aussenminister hatten am Dienstag ein Ende der Gewalt gefordert. «Wir rufen alle Akteure auf, zu Verhandlungen zurückzukehren und aktive Schritte zu unternehmen, um Spannungen abzubauen», hiess es im Abschlusspapier zum Treffen der Minister im japanischen Karuizawa.

Welche Länder bemühen in diesem Konflikt um einen Waffenstillstand?

Was den Sudan anbelangt, gibt es keinen diplomatischen Lead in den letzten Jahren. Dies, weil sich die Interessen konkurrenzieren. Die USA sind die mächtigste Partei in diesem Konflikt, sind bereits seit Jahrzehnten im Land. Daneben haben wir die Golfstaaten um Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate. Die beiden Staaten haben enge Verflechtungen mit den beiden Konfliktparteien. Auch Ägypten ist am Konflikt beteiligt, pflegt enge Kontakte zu General Abdel Fattah al-Burhan. Die afrikanische Union und einzelne afrikanischen Staaten haben ebenfalls angekündigt, Delegationen zu schicken, um einen Frieden zu erwirken. Aufgrund der aktuellen Situation können die Delegationen aber nicht nach Khartum.

Was wären die Gefahren, wenn sich der Konflikt ausbreiten würde?

Die Situation in Sudan hat Einfluss auf viele Regionen und Länder. Man muss sich nur einmal die Länder rund um Sudan anschauen: Libyen, Tschad, Zentralafrikanische Union, Südsudan oder auch Äthiopien, das gerade selbst aus einem Bürgerkrieg kommt. In all diesen Ländern herrschen bereits Konflikte und eine Zuspitzung der Lage in Sudan könnte die Lage in diesen Ländern nochmals verschlechtern und destabilisieren. Auch die Sahara, die Sahel-Zone, Zentralafrika, das Horn von Afrika bis hin zu den Golfstaaten wären betroffen und würden die Auswirkungen aus Sudan spüren.

Rauch.
Legende: Rauch über dem Flughafen der sudanesischen Hauptstadt Khartum. (Bild vom 17. April 2023) Reuters/Stringer

Inwiefern?

Falls sich ein Bürgerkrieg in Sudan entwickelt und dieser länger dauern sollte, entwickeln sich an verschiedenen Stellen bewaffnete Gruppen, es gibt grosse Flüchtlingsbewegungen und Schmuggelbewegungen. Dieser Konflikt würde sich grenzüberschreitend abspielen, denn die Nachbarländer haben nicht genügend Mittel, ihre Grenze genügend zu sichern.

Das Gespräch führte Benedikt Hofer.

Tagesschau, 18.4.2023, 12:45 Uhr ; 

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