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Heikle Mission in Nahost Blinken bekräftigt in Ramallah Zwei-Staaten-Vision

Der US-Aussenminister bemüht sich in der Westbank um Deeskalation. Die Hoffnung der Palästinenser schwinde allmählich.

US-Aussenminister Antony Blinken hat sich bei seinem Besuch in der Stadt Ramallah in der Westbank gegen einseitige Schritte im Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern ausgesprochen. Die USA seien weiterhin der Vision einer Zwei-Staaten-Lösung in der Region verpflichtet, sagte er am Dienstag bei einem Treffen mit dem palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas.

Damit ist die Schaffung eines unabhängigen Palästinenserstaats gemeint, der friedlich an der Seite Israels existiert. Die Hoffnung der Palästinenser schwinde allmählich, sagte Blinken. Er verurteilte sämtliche Gewalt, die diese Vision der Zwei-Staaten-Lösung in weitere Ferne rücken lässt. Zudem kündigte er nach Gesprächen mit Unternehmerinnen und Unternehmern die Zahlung von weiteren 50 Millionen Dollar Unterstützung durch das UNO-Palästinenserhilfswerk an.

Abbas beklagt mangelnde Unterstützung

Abbas warf Israel vor, es sei verantwortlich für die jüngste Eskalation der Gewalt. Er sprach von mangelnder internationaler Unterstützung für die Palästinenser angesichts der fortwährenden israelischen Besatzung.

Einschätzung der SRF-Auslandredaktorin

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Auf die Frage, ob es US-Aussenminister Blinken gelungen ist, die aufgeheizte Stimmung etwas zu entspannen, sagt Susanne Brunner, Leiterin der Auslandredaktion bei Radio SRF: «Nein, das denke ich nicht. Denn er kann die Realität nicht ändern. Zwar sprach er in Israel von demokratischen Werten und versuchte auch, den Palästinenser-Präsidenten zu beruhigen.

Aber in Israel ist eine extrem rechte Regierung an der Macht, die öffentlich sagt, dass sie das Land nicht teilen will. In Ramallah sitzt ein greiser, demokratisch nicht legitimierter Präsident, der sich weiter offen für Friedensgespräche zeigt. Dies hält die Bevölkerung aber für leeres Geschwätz, weil sie alles andere als Frieden erlebt.

Gerade kürzlich erzählten mir Junge im Westjordanland, sie wachten täglich zur Nachricht über einen weiteren getöteten Palästinenser auf. Das radikalisiert die Jugend zunehmend, denn sie sieht keine Perspektive. Ebenso wenig hält die Mehrheit der Israelis eine Zwei-Staaten-Lösung für realistisch hält. Deshalb sucht diese Regierung den Weg nach vorne, und zwar mit Gewalt. Es gibt im Nahostkonflikt im Moment keinen Weg vorwärts und auch keinen zurück.»

Blinken hatte sich am Tag zuvor bereits mit Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu getroffen und beide Seiten zu einer Deeskalation aufgerufen. Dabei versprach er Israel jegliche Unterstützung, um den Iran daran zu hindern, Atomwaffen zu bauen.

Heikle Mission nach Anschlägen

Der Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern ist zuletzt wieder gefährlich eskaliert. Blinken kam in einem sehr schwierigen Moment: Am Donnerstag wurden bei einer israelischen Razzia in einem Flüchtlingslager in Dschenin im Westjordanland zehn Palästinenser getötet, darunter mehrere militante Kämpfer. Seit Jahresbeginn wurden 35 Palästinenser bei Konfrontationen mit der Armee oder eigenen Anschlägen getötet.

Blinken und Abbas.
Legende: US-Aussenminister Antony Blinken und Palestinenserführer Mahmud Abbas am 31. Januar 2023 in Ramallah. Keystone/AP/MAJDI MOHAMMED

Am Freitag erschoss ein Palästinenser im Gegenzug vor einer Synagoge in Ostjerusalem sieben Juden. Es war der schwerste Anschlag eines Palästinensers seit 15 Jahren in Israel. Am Samstag verletzte ein 13-jähriger palästinensischer Jugendlicher in einem anderen Stadtteil zwei jüdische Siedler.

Israel hatte 1967 das Westjordanland und Ost-Jerusalem erobert. Dort leben heute mehr als 600'000 israelische Siedler. Die Palästinenser beanspruchen die Gebiete für einen unabhängigen Staat mit Ost-Jerusalem als Hauptstadt. Der UNO-Sicherheitsrat sieht in dem Siedlungsbau eine Verletzung des internationalen Rechts.

Echo der Zeit, 31.01.2023, 18:00 Uhr ; 

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