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Historischer Atomausstieg Letzte AKW in Deutschland sind vom Netz

Am Samstag wurden die letzten drei deutschen Atomkernkraftwerke runtergefahren – trotz neu aufgeflammten Diskussionen. Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Welche AKW werden nun endgültig abgeschaltet? Es sind die Atomkraftwerke Isar 2 in Niederbayern, Neckarwestheim 2 in Baden-Württemberg und Emsland in Niedersachsen, die jetzt vom Netz genommen werden. Eigentlich hätten die AKW bereits an Silvester endgültig abgeschaltet werden sollen. Doch die Energiekrise infolge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine machte einen kurzzeitigen Ausstieg vom Ausstieg nötig. Die Laufzeiten wurden bis Mitte April verlängert und die letzten Meiler und Reaktoren gingen in den sogenannten Streckbetrieb, um Versorgungsengpässen vorzubeugen.

Graue Türme die einstürzen und Staub aufwirbeln. Davor eine grüne Wiese und braune blätterlose Bäume.
Legende: Im Februar wurde eine der Kühltürme des AKW Biblis im Bundesland Hessen abgerissen. Das Kraftwerk wurde im Juni 2017 stillgelegt. IMAGO / Gutschalk

Wie sieht die Bevölkerung in Deutschland den Atomausstieg? Nach dem Super-Gau in Tschernobyl 1986 gab es schon eine Mehrheit für ein Ende der nuklearen Stromerzeugung. Nach der Atomkatastrophe in Fukushima 2011 waren aus Angst vor einem ähnlichen Zwischenfall gar 80 Prozent der Deutschen für einen Atomausstieg.

Durch die Energiekrise, nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine, kam es aber zu einem radikalen Meinungsumschwung: Laut aktuellen Umfragen sind 65 Prozent gegen den Ausstieg und wollen an Atomenergie festhalten. Jeder vierte Deutsche möchte, dass bereits stillgelegte Atomkraftwerke wieder hochgefahren werden. Knapp die Hälfte der Befragten glaubt nicht daran, dass die Energieversorgung ohne Atomstrom in Deutschland auf Dauer gesichert bleibt.

Viele Menschen stehen zusammen. Eine Fahne mit einer roten Sonne ist im Vordergrund gross zu sehen.
Legende: Anfang März demonstrierten Klimaschützer in Oldenburg gegen Atomkraft. IMAGO / Eibner

Wie steht die Politik zur Abschaltung der letzten AKW? Obwohl längst beschlossen und besiegelt, flammte die Diskussion vor der geplanten Stilllegung wieder auf. FDP, CDU/CSU, AfD und Wirtschaftsverbände sperren sich dagegen und fordern, die drei verbliebenen AKW noch mindestens ein Jahr als Reserve in Betrieb zu halten. Eine erneute dramatische Situation bei der Energieversorgung sei nicht auszuschliessen.

Dem widersprechen SPD und Grüne vehement. Für Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck ist der Ausstieg «unumkehrbar» und die Energiesicherheit sei durch die hohen Füllstände in den Gasspeichern und neue Flüssiggasterminals an den norddeutschen Küsten gewährleistet. In Zukunft sollen 80 Prozent der benötigten Energie aus Erneuerbaren produziert werden. Von den fünf Windrädern, die täglich gebaut werden sollten, ist man in Deutschland allerdings noch weit entfernt.

Ist der Abschied von Atomstrom in Deutschland wirklich endgültig? Laut der Bundesregierung ja, die neu aufgeflammte Debatte sei eine «Phantomdiskussion». Die Abschaltungen werden planmässig vorgenommen. Der Rückbau der Reaktoren soll Ende Jahr beginnen, mindestens 15 Jahre dauern und pro AKW bis zu einer Milliarde Euro kosten.

Echo der Zeit, 15.04.2023, 18:00 Uhr

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