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Hunderttausende flüchten Wohin die Russen desertieren

Die Einreise nach Europa wird für russische Kriegsflüchtlinge schwieriger. Doch es bleiben Alternativen. Eine Übersicht.

Die Schweiz solle russischen Kriegsdienstverweigerern und Deserteuren kein politisches Asyl gewähren. Denn das sei ein hohes Sicherheitsrisiko, sagte der ukrainische Botschafter in der Schweiz, Artem Rybchenko, in einem Interview mit der «SonntagsZeitung». Es bestehe die Gefahr, dass versucht werde, über den Asylweg Agenten in die Schweiz und in die EU einzuschleusen.

In Russland gibt es einen regelrechten Exodus junger Männer, seit der russische Präsident Wladimir Putin die Teil-Mobilmachung bekannt gegeben hat. Hunderttausende wollen aus dem Land fliehen, um dem Einsatz in der Ukraine zu entkommen.

15 Jahre Haft für Fahnenflucht

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Kremlchef Wladimir Putin hat nach der Teil-Mobilmachung für seinen Krieg gegen die Ukraine das geänderte Gesetz über härtere Strafen in Kraft gesetzt. Wer in den Zeiten einer Mobilmachung oder des Kriegszustands Fahnenflucht begeht, kann demnach mit bis zu 15 Jahren Haft bestraft werden. Wer sich freiwillig in Kriegsgefangenschaft begibt – dazu hatte die ukrainische Regierung aufgerufen -, muss mit bis zu zehn Jahren Haft rechnen. Der Kreml veröffentlichte die vom Parlament und vom Föderationsrat verabschiedeten und nun per Unterschrift Putins in Kraft gesetzten Änderungen.

Die EU-Staaten suchen weiter nach einer gemeinsamen Linie. Ein erstes Krisentreffen der 27 EU-Botschafter am Montag brachte keine Lösung. Die Positionen liegen teils weit auseinander. Die deutsche Bundesinnenministerin Nancy Faeser stellte Deserteuren Asyl in Aussicht.

Die baltischen Staaten und Polen lehnen die Aufnahme dieser Menschen strikt ab. Litauens Aussenminister Gabrielius Landsbergis schrieb auf Twitter, dass sein Land jenen, «die nur vor der Verantwortung davonlaufen», kein Asyl gewähren werde. «Die Russen sollten bleiben und kämpfen. Gegen Putin.»

Polen will Kriegsdienstverweigerern ebenfalls keine Zuflucht gewähren. «Wir werden keine Gruppe von Russen pauschal nach Polen einreisen lassen, auch nicht solche, die behaupten, sie würden vor der Mobilisierung fliehen», sagte Vize-Innenminister Marcin Wasik dem polnischen öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Ein solcher Schritt sei zu gefährlich, wegen möglicher Verbindungen zu russischen Geheimdiensten. Nur in Einzelfällen könne Polen die Asylvorschriften anwenden und Schutz gewähren.

Auch Tschechien steht der Aufnahme von russischen Deserteuren ablehnend gegenüber. «Diejenigen, die aus ihrem Land flüchten, weil sie den Pflichten gegenüber ihrem eigenen Staat nicht nachkommen wollen, erfüllen damit nicht die Bedingungen für die Erteilung eines humanitären Visums», betonte Aussenminister Jan Lipavsky. Die Slowakei spricht sich ebenfalls gegen eine generelle Aufnahme russischer Kriegsdienstverweigerer aus. Finnland hat am Donnerstag die Einreiseregeln weiter verschärft und die Grenze für russische Touristen geschlossen.

Viele Länder in Europa verschärfen also den Umgang mit russischen Kriegsflüchtlingen. Wohin also? Aktuell sehr beliebt als Ausreiseland ist Georgien. Auch hier wurde die Einreise inzwischen erschwert. In den sozialen Medien aber sieht man an den Grenzen Tausende junger Männer, welche nach Georgien einreisen wollen.

Ein wichtiges Zielland für die Kriegsflüchtlinge ist aktuell Kasachstan, wo rund 25 Prozent der Bevölkerung russischstämmig sind. Die kasachische Migrationsbehörde hatte am Dienstag mitgeteilt, dass seit der Teil-mobilmachung 100'000 russische Staatsbürger nach Kasachstan eingereist seien. Der untenstehende Tweet zeigt geflüchtete russische Männer, welche in einem Kinosaal in der kasachischen Grossstadt Oral übernachten.

Die Russen nehmen für ihre Flucht teilweise äusserst lange Routen auf sich. Auch in der Mongolei, rund 4500 Kilometer von Moskau entfernt, wurden an der Grenze lange Schlangen beobachtet.

Die Grenze gegen Westen scheint also immer mehr verschlossen zu sein, nun zieht es die jungen Russen vor allem in den Osten. Auf der folgenden Karte ist eingetragen, wo die Einreise noch einigermassen vonstattengehen kann.

Karte.
Legende: SRF

Tagesschau, 29.9.2022, 12:45 Uhr

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