Neben Bundespräsident Ueli Maurer vertritt an der UNO-Vollversammlung Aussenminister Ignazio Cassis (FDP) die Schweiz. Menschenrechte, Klimawandel und die Reform der UNO sind seine Hauptthemen – und zahlreiche bilaterale Gespräche. Eines der schwierigsten: Jenes mit dem eritreischen Aussenminister Osman Saleh, dessen Regierung sich der Rückführung von Migranten aus der Schweiz rundweg verweigert. Im Interview gibt er Antworten auf die wichtigsten Fragen.
SRF: Sie kommen eben von einer Begegnung mit dem Aussenminister von Eritrea. Zeichnet sich ab, dass Eritrea künftig Asylbewerber, deren Anträge in der Schweiz abgewiesen wurden, wieder aufnimmt?
Ignazio Cassis: Diese Frage kann nicht als erstes diskutiert werden. Es ist zuerst notwendig, Vertrauen zu schaffen zwischen Ländern, wo zurzeit noch kein Vertrauen herrscht. Wir haben über wirtschaftliche Zusammenarbeit gesprochen und der Aussenminister hat diesmal meine Einladung, zu einem offiziellen Besuch in die Schweiz zu kommen, angenommen.
Ich habe ihm auch klargemacht, dass Schweizer Investitionen nur erfolgen werden, wenn die Rahmenbedingungen punkto Menschenrechte und Stabilität stimmen. Ich habe gespürt, dass er diesmal viel williger war, über alles zu sprechen als noch vor einem Jahr. Es scheint, das Vertrauen zwischen Eritrea und der Schweiz wächst allmählich.
Also noch keine Fortschritte in der heiklen Frage der Rückschaffungen, aber eine bessere Basis, um solche Fortschritte zu erreichen?
Ja, genau so kann man das zusammenfassen.
Ein grosses Thema während der UNO-Gipfelwoche ist die Krise am Persischen Golf. Bewegt sich die Schweiz in diesem Konflikt von einer reinen Briefträger- zu einer Vermittlerrolle?
Ja, man spürt es. Zum einen die Intensivierung der Kontakte mit der Schweiz. Zum andern die Intensivierung der Bemühungen der Schweiz, Kontakte zwischen dem Iran und den USA zu ermöglichen.
Ein US-Gefangener wurde durch unsere Hilfe bereits befreit.
Das gehört auch zu unserem Schutzmachtmandat. Es gibt uns den Auftrag, dafür zu sorgen, dass die beiden Staaten, trotz unterschiedlicher Meinungen doch noch miteinander sprechen und nicht auf Gewalt setzen.
Eine solche Schutzmachtrolle der Schweiz steht seit Monaten auch im Zusammenhang mit dem amerikanisch-venezolanischen Konflikt im Raum. Wo steht man da?
Auch darüber sprechen wir hier in New York. Zunächst sind jedoch die USA gefordert. Solange sie nicht bereit sind, ein Schutzmachtmandat für die Maduro-Regierung in Washington zu akzeptieren, solange wird Venezuela ein Schutzmachtmandat – ausgeübt von der Schweiz – in Caracas nicht gutheissen. Trotzdem arbeiten wir in Venezuela bereits jetzt zugunsten der USA. Es sind vor allem humanitäre Tätigkeiten wie Gefangenenbesuche.
Ein US-Gefangener wurde durch unsere Hilfe bereits befreit. Aber wir wären froh, wenn wir unsere Schutzmachttätigkeit voll aufnehmen könnten. Das wäre im Interesse der USA, die inzwischen eingesehen haben, dass sich das Venezuela-Problem nicht in wenigen Wochen lösen lässt.
Hinter den Kulissen begann hier am UNO-Hauptsitz bereits der Wahlkampf für einen erstmaligen Einsitz der Schweiz im Sicherheitsrat für die Jahre 2023/24. Gleichzeitig dürfte die Schweiz das einzige Land sein, in dem es namhaften Widerstand gegen eine Mitgliedschaft im mächtigsten UNO-Gremium gibt. Ist der Bundesrat trotzdem entschlossen, an der Schweizer Kandidatur festzuhalten?
Ja, natürlich. Der Bundesrat fasste seine Entscheidung bereits 2011 und rüttelt nicht mehr daran. Das Parlament hat mehrfach bestätigt, dass es diese Entscheidung der Regierung unterstützt. Wenn es so bleibt, melden wir nächsten Juni offiziell unsere Kandidatur an. Und dann beginnt unsere Kampagne auch formell.
Sind die Wahlchancen der Schweiz intakt?
Zurzeit schätze ich die Chancen als sehr gut ein. Es laufen ja bereits Gespräche über die gegenseitige Unterstützung durch andere Staaten. Man versichert sich jeweils schriftlich die Unterstützung bei dieser oder jener Wahl. Auch das ist eines meiner Anliegen hier in New York.
Die UNO muss sich zurückbesinnen auf ihre Kernaufgaben und die so gut wie möglich erfüllen.
Ein Schwerpunkt der Schweizer UNO-Politik ist die UNO-Reform. Die grossen Reformen, etwa über eine zeitgemässe Zusammensetzung des Sicherheitsrates, scheinen total blockiert. Geben Sie da auf und begnügen sich stattdessen mit kleineren, partiellen Reformen?
Es ist so: Eine Änderung im Sicherheitsrat, vor allem was die fünf Vetomächte betrifft, steht nicht heute oder morgen an. Man spürt keinerlei Bereitschaft bei den Gründern der UNO, den Vetomächten, da voranzumachen. Was hingegen möglich ist, würde ich nicht bloss als kleine Reformen bezeichnen. Die UNO-Maschinerie ist fast 75 Jahre alt und braucht nun eine Art 100'000-Kilometer-Service. Sie bedarf eines Ölwechsels, einer Motorenrevision, falls sie à jour und relevant bleiben will. Sie muss sich klare Ziele setzen und soll sich weniger verzetteln, indem sie alles Erdenkliche ein bisschen tut. Ich sehe, dass da etwas passiert, gerade auch dank UNO-Generalsekretär Antonio Guterres.
Das Gespräch führte Fredy Gsteiger.