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Im Alter von 98 Jahren Italiens früherer Präsident Giorgio Napolitano gestorben

  • Der frühere italienische Staatspräsident Giorgio Napolitano ist tot.
  • Der Politiker starb am Freitagabend im Alter von 98 Jahren in einem Krankenhaus in Rom, wie mehrere italienische Medien übereinstimmend berichteten.
  • Der ehemalige Kommunist war zwischen 2006 und 2015 mehr als achteinhalb Jahre Staatsoberhaupt – so lange wie kein anderer.

Napolitano war in der italienischen Nachkriegsgeschichte der erste Präsident, der wiedergewählt wurde. Auch international genoss er grosses Ansehen. Aufgrund seines hohen Alters trat er im Januar 2015 vorzeitig zurück. Die letzten Jahre verbrachte er zurückgezogen.

Napolitano auf einem Stuhl sitzend.
Legende: Aus heutiger Sicht war Napolitano wie gemacht fürs höchste Staatsamt: «Gentiluomo» der alten Schule, Vermittler zwischen Parteien und ideologischen Welten, moralische Instanz, würdevoll im Auftreten, persönlich aber eher bescheiden. Keystone/Archiv/GIUSEPPE LAMI

Napolitano wurde 1925 in der süditalienischen Stadt Neapel geboren, die er zehn Legislaturperioden lang als Abgeordneter im Parlament vertrat. Bereits in jungen Jahren wurde der Jurist Mitglied der Kommunistischen Partei (PCI), wo er es bis ins Politbüro schaffte. Die PCI galt viele Jahre als wichtigste kommunistische Partei Westeuropas. Napolitano wurde dort zum Reformerflügel gerechnet.

Noch vor dem Fall der Mauer 1989 sprach er sich für die Umbenennung der Partei aus, die dann zur Linkspartei PDS wurde. In den 1990er Jahren war Napolitano Präsident der italienischen Abgeordnetenkammer und dann Innenminister einer Mitte-Links-Regierung. Zwischenzeitlich sass er auch im Europaparlament. Für seine Verdienste bekam er den Titel eines Senators auf Lebenszeit verliehen.

Moralisches Korrektiv zu Berlusconi

2006 wurde Napolitano als erster Ex-Kommunist zum Präsidenten gewählt. Entgegen der ursprünglichen Pläne trat er nach der Wiederwahl 2013 eine zweite Amtszeit an, nachdem die Bemühungen um eine Nachfolge mehrfach gescheitert waren. Aus Altersgründen verkündete er zum Jahreswechsel 2014/15 seinen vorzeitigen Rücktritt. Mit mehr als 3000 Tagen hält er trotzdem den Rekord der längsten Amtszeit eines italienischen Präsidenten. Zum Nachfolger wurde Sergio Mattarella gewählt, der bis heute Staatsoberhaupt ist.

Anti-Berlusconi und «König Giorgio»

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Er war eine der prägenden Figuren der italienischen Nachkriegspolitik. Der erste Ex-Kommunist, der zum Präsidenten gewählt wurde. Eine Art Anti-Berlusconi.

Über den Spitznamen, den ihm seine Landsleute verpasst hatten, musste Giorgio Napolitano manchmal selbst noch schmunzeln. «Re Giorgio» («König Giorgio») – nicht schlecht für einen, der viele Jahre seines Lebens Kommunist war.

Aus heutiger Sicht war Napolitano wie gemacht fürs höchste Staatsamt: «Gentiluomo» der alten Schule, Vermittler zwischen Parteien und ideologischen Welten, moralische Instanz, würdevoll im Auftreten, persönlich aber eher bescheiden.

Kurzum: eine Ausnahmeerscheinung in der italienischen Politik – das Gegenteil zum im Juni verstorbenen Rechtspopulisten Silvio Berlusconi, der neben Napolitano Ministerpräsident war, bevor es dann doch zu viel der Skandale wurde.

In seiner Zeit als Präsident genoss Napolitano über die Parteigrenzen hinweg hohe Autorität. Vielfach galt er als moralisches Korrektiv zum populistischen Regierungschef Silvio Berlusconi, der 2011 zurücktreten musste. Napolitano bereitete damals den Weg für eine Expertenregierung. Auch international galt er als unparteiischer und zuverlässiger Gesprächspartner.

SRF 4 News, 22.09.2023, 20:30 Uhr ; 

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