Zum Inhalt springen

Initiative angedeutet Welchen diplomatischen Einfluss hat der Papst im Ukraine-Krieg?

Der Papst will im Ukraine-Krieg erneut vermitteln. Am Rande seiner Reise nach Ungarn am Wochenende hat er angedeutet, der Vatikan sei an einer Friedensinitiative beteiligt. Die Mission sei aber geheim, sagte der Papst – und gab keine weiteren Details bekannt. Welchen Einfluss der Papst und die christlichen Kirchen auf die Konfliktparteien haben, weiss Theologe Markus Ries.

Markus Ries

Theologe

Personen-Box aufklappen Personen-Box zuklappen

Markus Ries ist Professor für Kirchengeschichte an der theologischen Fakultät der Universität Luzern.

SRF News: Warum bringt sich der Papst im Ukraine-Krieg immer wieder als Vermittler ins Spiel?

Markus Ries: Ich nehme ihm durchaus ab, dass er es ernst meint. Er sieht die Aufgaben der Religionsgemeinschaften und der katholischen Kirche hier insbesondere darin, zugunsten des Friedens zu wirken.

Im Prinzip stehen im Ukraine-Krieg beide Seiten hinter der gleichen religiösen Tradition.

Diplomatische Erfolge blieben in der Ukraine bislang aus. Welchen Einfluss hat der Papst?

Das ist schwer abzuschätzen. Das liegt vor allem auch daran, dass es zwischen West und Ost eine Konfessionsgrenze gibt. Auf der eine Seite die östlich-orthodox-christliche Tradition, auf der anderen Seite die westlich-lateinische Tradition mit den Katholikinnen und den Evangelischen etc. Im Prinzip stehen im Ukraine-Krieg beide Seiten hinter der gleichen religiösen Tradition. Aber vor allem von russischer Seite wird versucht, das Ganze als Krieg Russlands gegen den Westen darzustellen. Und hier spielt diese Konfessionsgrenze eine ungünstige Rolle, indem sie zwischen Ost und West unterteilt.

Hat der Papst Kontakte zur russisch-orthodoxen Kirche, nach Russland oder in die Ukraine überhaupt?

Ja, dies ist anzunehmen. Ich kann dies aus geschichtlicher Hinsicht zu beurteilen versuchen. Während des Zweiten Weltkriegs zum Beispiel konnte Papst Pius XII. von den diplomatischen Möglichkeiten profitieren, die ihnen gegeben waren und solche Kontakte auch ins Spiel bringen.

Umstrittene Rolle von Pius XII.

Box aufklappen Box zuklappen

Warum hat sich Papst Pius XII. nicht klarer gegen die Vernichtung der Juden während des Zweiten Weltkrieges geäussert? Diese Frage steht im Zentrum der Kontroverse um den Weltkriegspapst, der 1939 gewählt wurde.

Denn Pius XII. hat einerseits mit den Nationalsozialisten zusammengearbeitet. Und die Vernichtung der Juden durch Nazi-Deutschland nie direkt kritisiert. Andererseits hat er in Rom geholfen, viele Juden vor der Verfolgung zu bewahren.

Den Artikel um die kontroverse Rolle des Papstes können Sie hier lesen.

Wirksam werden solche Kontakte aber vor allem im Verbund mit anderen diplomatischen Bemühungen. Aktuell haben wir den Fall, dass das Internationale Komitee des Roten Kreuzes IKRK möglicherweise bald die letzte Organisation ist, welche mit beiden Seiten sprechen kann. Würde der Papst mich nun anrufen und fragen, was er am besten machen soll, dann würde ich ihm dringend raten, seine Bemühungen mit jenen des IKRK zu koordinieren.

Die Vermittlung eines grossen Friedensvertrags weltweit ist den Päpsten leider nicht gelungen.

Auch in der Vergangenheit haben Päpste sich immer wieder für Frieden eingesetzt. Gibt es Beispiele, in welchen diese Bemühungen mehr als nur Symbolcharakter hatten?

Ja, es ist immer wieder gelungen, einzelne Gruppen oder Personen durch solche kleineren Vermittlungsaktionen während des Ersten oder Zweiten Weltkrieges zu retten. Aber die Vermittlung eines grossen Friedensvertrags weltweit ist ihnen leider nicht gelungen. Der berühmteste Papst, der sich in grossen Friedensmissionen versucht hat, der auch als Friedenspapst durchaus in den Geschichtsbüchern vermerkt ist, ist Benedikt der XV. während des Ersten Weltkrieges. Insgesamt blieben seine Versuche bedauerlicherweise erfolglos.

Ein Frieden scheint im russischen Angriffskrieg derzeit in weiter Ferne. Nun deutet etwa die Grossmacht China einen Vermittlungsversuch an. Ist die Vermittlerrolle für den Vatikan in diesem Umfeld nicht eine Nummer zu gross?

Christliche Kirchen stehen für gewaltfreie Konflikte ein. Das ist nicht nur ein Anliegen christlicher Gemeinschaften, sondern ein zivilisatorischer Fortschritt generell. Von daher ist es erschütternd, dass es bis heute nicht gelungen ist, dieser humanen Einsicht zum Durchbruch zu verhelfen.

Das Gespräch führte Rachel Beroggi.

SRF 4 News, 02.05.2023, 06:23 Uhr ; 

Meistgelesene Artikel