Keine Spur von vorweihnachtlicher Besinnlichkeit im Haus des Fussballs: Die Ethikkommission der Fifa sperrt Sepp Blatter für acht Jahre. Kurz darauf tritt der einst mächtigste Mann der Fussballwelt vor die Medien. Dreitagebart, Pflaster im Gesicht, abgekämpft. «Ich bin immer noch der Präsident», sagt der 79-Jährige. «Es ist nicht möglich, dass die Angelegenheit so zu Ende geht.»
Das Hauptmotiv von Blatters Verteidigungsrede: Die schreiende Ungerechtigkeit, die ihm widerfahren sei. «Es war ein bizarrer Aufritt», resümiert SRF-Redaktor und Fifa-Kenner Jean François Tanda. Blatters Selbstverteidigung habe jedem Bezug zur Realität entbehrt.
Aufgeben ist keine Option
Doch Blatter will nicht aufgeben. Er will den Kampf um sein Vermächtnis durch alle Instanzen tragen – die Fifa-Berufungskommission, das Internationale Sportgericht, wenn nötig bis vor Bundesgericht. «Ein prozessual langer Weg», sagt Stephan Netzle, Sportjurist und selber lange Jahre am Internationalen Sportgericht CAS in Lausanne tätig.
Unverdrossen hofft Blatter, Ende Februar den ausserordentlichen Fifa-Kongress leiten zu dürfen – und damit die ordentliche Stabsübergabe an seinen Nachfolger vollziehen zu können. Doch die Mühlen der Justiz mahlen langsam, weiss Netzle: Auch wenn Blatter dereinst vollumfänglich rehabilitiert werden sollte, dürfte ihm der Abgang in Ehren verwehrt bleiben: «Dass bis im Februar die ganzen Verfahren durchgezogen werden können, halte ich für ziemlich ausgeschlossen.»
Blatters Beweispflicht
Um vorsorgliche Massnahmen erreichen zu können, müsste Blatter nachweisen, dass seine Hauptklage Erfolg habe, so der Sportjurist: «Und das scheint mir angesichts des heutigen Verdikts unwahrscheinlich.» Beweise für eine Schmiergeldzahlung an Platini lägen offenbar nicht auf dem Tisch, so Netzle. Blatters Problem: Auch die These vom juristisch sauber abgewickelten «Beraterhonorar» harrt weiter jedem Beleg.
Trotzdem will der Fifa-Präsident a.D. nun an den CAS gelangen. Wie schon Platini vor ihm, der zuletzt bei den Lausanner Richtern seine provisorische 90-Tage-Sperre anfocht – ohne Erfolg. Ein Vorgeschmack für Sepp Blatter? «Ich denke schon», sagt Netzle: «Bei Blatter geht es mehr oder weniger um den gleichen Vorgang. Es würde mich überraschen, wenn nun plötzlich neue Beweise auftauchen würden.»
Stadionverbot durchsetzbar?
Sollte Blatter die Absetzung durch die Ethikkommission nicht rückgängig machen können, droht ihm ein Abgang auf leisen Sohlen. Für acht Jahre wäre der Besuch von Stadien Tabu; doch wer würde Blatter tatsächlich davon abhalten? «Eigentlich müssten das die Fifa oder ihre Landesverbände kontrollieren. Sie wären aber auf Whistleblower vor Ort angewiesen», so Netzle.
Denkbar also, dass der einst mächtigste Mann des Weltfussballs dereinst von einem normalen Matchbesucher «verpfiffen» – und höflich aus dem Stadion begleitet wird? Es wären Schlagzeilen, auf die Blatter verzichten könnte. Alles andere als der ehrenhafte Abgang, der das erklärte Ziel des Wallisers ist.
Der Kampf ums Vermächtnis
Was also kann der 79-Jährige tun, um würdevoll abzutreten? Trotz der Aussichtlosigkeit weiterer Verfahren sagt Sportjurist Netzle: «Blatter ist auf jeden Fall auf dem richtigen Weg. Er muss seine juristischen Möglichkeiten ausschöpfen und vor den CAS gehen.» Denn dieser sei das erste wirklich unabhängige Gericht, das sich mit seinem Fall auseinandersetze. «Ich kann gut verstehen, wenn sich Blatter daneben auch noch in den Medien erklärt. Auf jeden Fall kann er damit Sympathiepunkte holen.»
So kann man davon ausgehen, dass Blatters Kampf weitergehen wird: «Schliesslich steht sein Lebenswerk auf dem Spiel», schliesst Netzle: «Ich kann mir nicht vorstellen, dass er sich zur Ruhe setzt und Fussball am Fernsehen schaut.» Denn Blatter habe eine neue Lebensaufgabe gefunden: Die Wahrung seines Vermächtnisses.