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Cameron, Juncker und Rütte in einer Gesprächsrunde.
Legende: Die EU als Trittbrett für die Wiederwahl im nächsten Jahr. Keystone

International Camerons Juncker-Poker

Die Wahl von Jean-Claude Juncker zum EU-Kommissionspräsidenten steht praktisch fest. Standhaft nein zu dieser Personalie sagt der britische Premierminister David Cameron. Mit seiner Fundamentalopposition betreibt er dabei vor allem Innenpolitik.

Es ist eine Niederlage mit Ansage. Knallhart kalkuliert. Bei der heutigen Nomination des Luxemburgers Jean-Claude Juncker zum Kommissionspräsidenten, fehlte eine Stimme. Die von David Cameron. Der britische Premierminister betreibt dabei vor allem eine Kampagne, die auf seine heimischen Wähler abzielt – gegen Juncker und für sich selbst.

Von Alkoholproblemen und Ähnlichem

Der Tories-Chef meint es ernst. Er will Juncker verhindern. Die nötigen Reformen in der EU könnten von einem langjährigen Brüssel-Insider nicht glaubwürdig vertreten werden, machte Cameron kurz nach den Europawahlen klar. Er stellte Juncker als Mann der alten Schule, als Zentralisten hin.

Was zunächst politisch motiviert war, treiben die britischen Medien mit persönlichen Angriffen auf die Spitze. «Sie haben das Terrain für Cameron vorbereitet. Sie sind dafür bekannt, keine Berührungsängste zu kennen», sagt SRF-Korrespondent Urs Gredig in London. Juncker werde als Lebemann mit Alkoholproblem dargestellt.

EU fürchtet Dominoeffekt

In der EU manövriert Cameron Grossbritannien immer weiter in den Aussenseiterstatus. Es ist nicht das erste Mal, dass das Land einen riskanten Alleingang probt. «Es gibt diese Gräben bereits länger», stellt SRF-Korrespondent Jonas Projer in Brüssel fest. 2009 hätten sich Camerons Tories aus der Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP) verabschiedet. 2011 habe der britische Regierungschef den Fiskalpakt blockiert, was dazu führte, dass die anderen EU-Staaten über seinen Kopf hinweg untereinander Abkommen abschliessen mussten.

Die grosse Sorge in der EU ist, dass die Austritts-Pläne zu einer Eigendynamik führen und sich schlussendlich weitere Staaten anschliessen könnten.
Autor: Jonas Projer SRF-Korrespondent Brüssel

Und nun sei Cameron zum dritten Mal auf Konfrontationskurs. Damit könne er auf EU-Ebene eigentlich nichts gewinnen, fasst Projer zusammen. Er schaffe damit weiter Distanz zur EU und vor allem Distanz zu den anderen konservativen Regierungschefs in der EU. «Die grosse Sorge in der EU ist, dass die Austritts-Pläne zu einer Eigendynamik führen und sich schlussendlich weitere Staaten anschliessen könnten», sagt der Brüssel-Korrespondent.

Cameron steht unter Druck

In Grossbritannien stösst Camerons Alleingang nicht überall auf Applaus. Die rechtsgerichtete Ukip ist der Ansicht, der Premier stünde als europapolitischer Schwächling da, der nicht einmal einen Mann wie Juncker verhindern könne. Wie kann man ihm dann glauben, dass er in den kommenden Jahren die britische EU-Mitgliedschaft neu verhandeln kann?

Sieht man sich die jüngsten Umfragen an, dann würden sich die Briten klar für einen Austritt aussprechen.
Autor: Urs Gredig SRF-Korrespondent London

Doch daraus spricht nicht zuletzt der verzweifelte Versuch, die Themenführerschaft bei der Europa-Kritik nicht aus der Hand zu verlieren. Die antieuropäischen Stimmen in Grossbritannien haben Aufwind. Das weiss auch Cameron und steht deshalb unter Druck. «Der Premier gehört eher zum liberalen Flügel der Tories und wird vom rechten Flügel nun immer mehr in die Mangel genommen. Zusätzlich versucht sich Cameron auch gegen die Ukip durchzusetzen», erklärt Gredig.

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Sieg auf dem Rücken der Ukip?

Die nächsten Unterhauswahlen finden 2015 statt. Wohl auch deshalb hat er bereits im Vorfeld der Nominierung Junckers mit Konsequenzen gedroht: Die Briten sollen 2017 in einem Referendum über den Verbleib in der EU abstimmen. «Sieht man sich die jüngsten Umfragen an, dann würden sich die Briten klar für einen Austritt aussprechen», sagt SRF-Korrespondent Urs Gredig in London.

«Er weiss zwar, dass er nichts gegen die Wahl von Juncker unternehmen kann, er bleibt aber standhaft bis zur letzten Konsequenz», sagt Urs Gredig. Er wiederhole immer wieder: Es gehe ums Prinzip. Und scheint damit innenpolitisch Erfolg zu haben. Diese Niederlage auf EU-Ebene könnte sich im nächsten Jahr als Sieg für die Tories erweisen.

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