EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sagte am Mittwoch vor dem EU-Parlament, «Hotspot» sei ein schrecklicher Name, man solle doch einen etwas zärtlicheren Namen für die Orte finden, bei welchen die Flüchtlinge erstmals mit der EU zu tun haben.
Unterschiedliche Vorstellungen
Doch das Problem ist nicht nur sprachlicher Art – es reicht tiefer. So schrieb etwa EU-Ratspräsident Donald Tusk in seinem Einladungsschreiben für das aktuelle Gipfeltreffen in Brüssel, er wolle die spezifische Rolle der «Hotspots» diskutieren, weil es eben unterschiedlichste Vorstellungen zu deren Charakter und Zweck gebe.
Unbestritten ist: «Hotspots» soll es in Italien und Griechenland geben. Es sind dies jene Länder, in welchen am meisten Flüchtlinge erstmals EU-Boden betreten. Experten der EU sowie Italiens und Griechenlands registrieren in den «Hotspots» die Flüchtlinge, nehmen ihre Fingerabdrücke und verteilen die Menschen aus den drei Krisenregionen Syrien, Irak und Eritrea auf die anderen EU-Mitgliedsländer. Soweit so klar.
Die Differenzen beginnen bei jenen Flüchtlingen, die nicht in diese Kategorie passen. Was passiert mit denjenigen, die auch in den «Hotspots» ankommen, ebenfalls ein Asylgesuch stellen, aber damit rechnen müssen, dass ihr Gesuch abgelehnt wird? Was passiert beispielsweise mit dem ägyptischen Bauern, der nach Europa geflohen ist, weil er schlicht ein besseres Leben möchte?
Geschlossene Aufnahmelager?
Frankreich und Deutschland fordern für diese Flüchtlinge geschlossene Aufnahmelager direkt bei den «Hotspots». Damit wollen sie verhindern, dass die Flüchtlinge während des Asylverfahrens abtauchen und verschwinden. Sie sollen vielmehr eingesperrt bleiben, bis sie wieder zurückgeschafft werden. Aus deutschen Regierungskreisen hiess es in den letzten Tagen, dass an solchen Lagern kein Weg vorbeiführe, wenn man mit der Rückführung wirklich vorwärts machen wolle.
Berlin und Paris stützen sich bei ihrer Forderung auf die EU-Rückführungsrichtlinie. Diese erlaubt nämlich, dass Flüchtlinge inhaftiert werden können. Aber dies eigentlich nur als «measure of last resort», also als letztes Mittel. Praktisch alle EU-Mitgliedsländer – und auch die Schweiz – kennen denn auch die Ausschaffungshaft. Sie ist das letzte Instrument ganz am Ende des Asylverfahrens, unmittelbar vor der Rückführung.
Ist das Festhalten verhältnismässig?
Es sind Zweifel angebracht, ob mit dieser Richtlinie auch die geschlossenen Lager gerechtfertigt werden können. Die EU-Kommission und auch Italien wollen von solchen Lagern denn auch nichts wissen. Alle Flüchtlinge, die einen Asylantrag stellten, hätten Anrecht auf ein normales Asylverfahren, argumentieren sie. Es sei nicht nur rechtlich problematisch, sie während der ganzen Zeit des Verfahrens in Lagern festzuhalten; es sei auch unverhältnismässig.
Wir haben also auf der einen Seite problematische Forderungen von Deutschland und Frankreich, andererseits drückt sich insbesondere die EU-Kommission vor der Antwort, wie sie abgewiesene Flüchtlinge aus den Hotspots wieder in ihre Heimatländer zurückführen möchte.
Dies zeigt, wie komplex das ganze Flüchtlingsproblem ist. Und es erklärt auch, warum sich EU-Mitgliedstaaten und -Kommission immer wieder so schwer tun, sich auf eine gemeinsame Haltung zu einigen.