Verwackelte Bilder von einem griechischen Strand und eine frohe Botschaft. Sie ist für alle, die von der hoffnungslosen Situation zuhause genug haben: «Kommt auch nach Europa», sagt der Filmer, der mit seinem Smartphone die Landungsszene einfängt.
«Wir sind eine Gruppe syrischer und irakischer Flüchtlinge. Einheimische bringen uns Wasser. Es geht uns gut», geht es in dem Filmchen weiter. Der Weg nach Deutschland werde lang sein, aber voller Rosen, ist der Flüchtling überzeugt.
Hilfe bei Fragen
Ein anderer meldet sich per Youtube schon aus einer griechischen Hafenstadt, beim Warten auf eine Fähre. Er gibt den Zuschauern in aller Welt Tipps für den Kontakt mit Schleppern, für die Reise im Schlauchboot und den Fussmarsch danach. Auch er klingt, als sei die gefährliche Überfahrt ein Kinderspiel.
In den Kommentarspalten werden Telefonnummern ausgetauscht. Ein Link auf eine Facebookseite verspricht, alle Fragen der Aufbruchwilligen zu beantworten. Seit Mitte August wurde dieses Video 95'000 Mal angeklickt.
Doch die Videoplattform vermittelt auch Eindrücke der Ratlosigkeit und der Verzweiflung. Es gibt Bilder von Schiffbrüchigen, die in den Wellen ums Überleben kämpfen. Oder: Ein Iraker filmt, den richtigen Weg suchend, irgendwo an der mazedonisch-serbischen Grenze einen Feldweg ab – unsicher, ob er je an ein Ziel führt.
Das Leben in Deutschland ist schrecklich.
Persiflage aus Irak
Die Signale in den Filmen bei Youtube sind widersprüchlich. Für Flüchtlinge dürfte es schwierig sein, sich darauf einen Reim zu machen. Denn selbst das Stadium der Persiflage hat das Genre schon erreicht: «Hallo Jungs zuhause. Gerade sind wir in Österreich angekommen. Hier seht ihr die Hauptstrasse von Österreich», sagt ein Teenager mit irakischem Akzent.
Zu sehen sind ein paar unverputzte halbfertige Häuser an einer sandigen Landstrasse. Offensichtlich wurde der Film nicht in Österreich, sondern irgendwo zuhause in Irak aufgenommen. «Seht, wie schön das hier ist, wie demokratisch», fabuliert der Zuhausegebliebene weiter.
Nicht alle sind glücklich
Einer der tatsächlich am ersehnten Ziel angekommen ist, ist dagegen bitter enttäuscht. Der Syrer schwenkt in Hamburg sein Smartphone über einen Rasenplatz voller weisser Familienzelte. Ordentlich ausgerichtet, bestückt mit Feldbetten. «Seht, so empfängt Deutschland das syrische Volk. In Zeltlagern. In der Kälte», sagt er. «Macht diese Reise nicht», warnt der Flüchtling seine Landsleute. «Das Leben in Deutschland ist schrecklich.»
Wochenlang blieb diese Botschaft fast unbeachtet in einer Ecke des Internets. Bis sie von einer europäischen Fernsehstation weiterverbreitet wurde. Seither ist sie zehntausende Male angeklickt worden.
Viele Syrer schreiben Kommentare bei Youtube. Viele sind schockiert. Aber nicht über die Zelte, sondern über den Undank des Filmers. Einer erklärt, dass die Flüchtlinge nicht als Gäste gekommen, sondern sich selbst eingeladen hätten und die Neuankömmlinge geduldig sein müssten.
Hilfe für die, die es geschafft haben
Der Syrer betreibt aus einem Berliner WG-Zimmer einen veritablen Ratgeberkanal. Die Fragen gehen in alle Richtungen: Was passiert, wenn meine Fingerabdrücke schon in Ungarn abgenommen wurden? Werde ich zurückgeschickt? Wie lange muss ich warten, bis ich eine Arbeit suchen kann? Der Syrer erklärt, wie die Flüchtlingsbefragungen ablaufen und wie man sich im Jobcenter registriert.
Er spricht nüchtern von den Herausforderungen, von den langen Monaten in Gruppenunterkünften, die man sich mit fünf, sechs Männern teilt. Auch wenn sie vielleicht Landsleute sind – Freunde seien sie deswegen nicht unbedingt. Privatsphäre gebe es kaum.
Aussicht auf Sicherheit
Der Mann berichtet aber auch, wie man später eine Wohnung oder ein Zimmer findet. Und dass man die Sprache sicher beherrschen müsse, um einen festen Job zu finden. Man müsse ganz hinten anstehen auf dem Wohnungsmarkt.
Ein junger Iraker filmt sich in einer Strasse von Berlin, berichtet begeistert nach Hause, vom öffentlichen Verkehr, der perfekt organisiert sei. Eine Sirene unterbricht ihn. «Oh, da ist wohl gerade wieder eine Bombe explodiert», sagt der Iraker – und grinst. Denn anders als in Irak gibt es in Deutschland keine Bomben. Sondern die Aussicht auf Sicherheit.