Kritische Stimmen in der Türkei haben es schwer. Die pro-kurdische Oppositionspartei HDP hat zwar beim Verfassungsgericht Beschwerde gegen die Aufhebung der Immunität ihrer Parlamentarier eingereicht. Die Aussicht auf Erfolg ist aber bescheiden. Noch bevor das Verdikt vorliegt, kommt nun schon der nächste Schachzug von Erdogan.
Der türkische Präsident will die religiöse Bewegung seines Widersachers
Fethulla Gülen zur terroristischen Gruppierung erklären lassen. Das Kabinett habe die Entscheidung gebilligt, die Anhänger des Geistlichen und Erdogan-Kritikers als «Gülentistische Terror-Gruppe» einzustufen, sagte Erdogan in Izmir. Damit wird sie auf eine Stufe mit kurdischen Extremisten gestellt, die von der türkischen Armee im Südosten des Landes bekämpft werden.
«Sie werden zur Verantwortung gezogen werden», kündigte Erdogan vor fahnenschwingenden Anhängern an. «Manche sind geflohen, manche sind im Gefängnis, manchen wird der Prozess gemacht. Dieses Vorgehen wird fortgesetzt.»
Gülen organisiert den Widerstand aus der Ferne
Erdogan hat sich mit seinem ehemaligen Verbündeten Gülen 2013 entzweit, als Polizisten und Staatsanwälte, die der Gefolgschaft des Geistlichen zugerechnet werden, mit Korruptionsvorwürfen gegen den inneren Zirkel Erdogans ermittelten.
Auf Erdogans Initiative gingen Sicherheitsbehörden massiv gegen die Gülen-Bewegung vor. Ihr nahestehende Firmen wurden geschlossen oder übernommen, eine Bank wurde besetzt, Hunderte Menschen wurden verhaftet. Gülen selbst lebt im selbstgewählten Exil in den USA. Erdogan wirft ihm vor, ihn mit einem Netzwerk von Unterstützern in Medien, Justiz und Bildungseinrichtungen stürzen zu wollen. Gülen weist die Vorwürfe zurück.