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International «Extremismus liefert Identität und Halt»

Wer ist anfällig für Salafismus und Islamismus? Vor allem die dritte Generation muslimischer Zuwanderer, sagt ein Islamwissenschaftler. Der Polizeiberater sieht auch Verbindungen ins kriminelle Milieu.

Unter den deutschen Muslimen ist nach Einschätzung des Islamwissenschaftlers Marwan Abou-Taam vor allem die Generation der Enkel der ersten Einwanderer anfällig für radikale Indoktrination.

«Arena» zum Terror in Paris

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Der Terror in Frankreich war auch Thema in der Sendung «Arena» . Wie gefährdet ist die Schweiz, braucht es mehr Staatsschutz? Über diese und andere Fragen diskutierten unter anderem der Kabarettist und Autor Patrick Frey, der Chefredaktor des «Tages-Anzeiger» Res Strehle oder Sicherheits-Experte Kurt Spillmann.

«Diese dritte Generation ist am meisten betroffen, da sie sowohl von den Eltern Zurückweisung erfährt, als auch von der deutschen Mehrheitsgesellschaft - den Eltern sind sie nicht türkisch oder arabisch genug, von den Deutschen werden sie trotzdem oft wie Fremde behandelt», sagte Abou-Taam, der für das Landeskriminalamt des deutschen Bundeslandes Rheinland-Pfalz arbeitet.

«Der Extremismus liefert dann Anerkennung, Identität und Halt», erklärt er weiter. Die zweite Generation sei noch stärker von der Kultur des Herkunftslandes geprägt gewesen und von den Eltern. Die Kinder der ersten türkischen Arbeitsmigranten hätten den Eltern noch als Dolmetscher für die ihnen fremde deutsche Sprache und Kultur gedient, ergänzt Abou-Taam.

«Rettender Anker»

Der Wissenschaftler weist zudem auf Überschneidungen zwischen Bandenkriminalität und radikalen Salafisten-Gruppen hin. Viertel mit einem hohen Migrantenanteil, die geprägt seien von Bildungferne, existierten zwar auch in deutschen Städten wie Duisburg und Bremen. Besonders problematisch sei die Situation aber in Berlin, wo es teilweise «eine sehr starke Überschneidung gibt zwischen dem Salafismus und kriminellen Milieus». Häufig sei der radikale Salafismus der «rettende Anker» für Kriminelle.

Ausserdem verübten einige militante Salafisten Verbrechen, um an Geld zu kommen, beispielsweise für eine Ausreise nach Syrien. Radikale Prediger hätten es in Deutschland heute leichter als früher, Anhänger zu finden, «weil das Internet und Fernsehsender wie Al-Dschasira die passenden Bilder dazu liefern». Auch wenn dies für die meisten Deutschen schwer nachvollziehbar sei, gelinge es diesen Predigern, «den Konflikt in Syrien als Fortsetzung der Konflikte, die diese jungen Menschen in Deutschland erleben, zu interpretieren».

Berliner Alarmplan

Die deutschen Sicherheitsbehörden haben unterdessen nach den Anschlägen von Paris einen Alarmplan in Kraft gesetzt. Die Einrichtungen in Bund und Ländern seien angewiesen worden, schnellstmöglich die aktuellen Aufenthaltsorte islamistischer Gefährder oder von relevanten Personen aus ihrem Umfeld zu ermitteln, berichtet das Nachrichtenmagazin «Der Spiegel» vorab. Die Kontrollen sollten grundsätzlich verdeckt verlaufen.

Eine Sprecherin des deutschen Bundeskriminalamtes (BKA) äusserte sich dazu auf Anfrage nicht. Sie betonte aber, es gebe 260 Gefährder aus dem islamistischen Extremismus, die im Verdacht stünden, Anschläge in Deutschland zu begehen. Zudem bekräftigte sie, es gebe keine konkreten Hinweise auf Attentate in Deutschland. Die Gefahr sei aber weiterhin hoch.

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Eine BKA-Lageeinschätzung geht laut «Spiegel» davon aus, dass der Anschlag auf die französische Satirezeitung «Charlie Hebdo» als «Initial» auch für in Deutschland lebende Personen wirken könne. Die Tat belege, dass sich derartige Anschläge jederzeit in europäischen Hauptstädten ereignen könnten.

Auch «Focus Online» berichtete aus einem BKA-Papier, islamkritische Ereignisse könnten sich in Deutschland «als Tatimpuls für islamistisch motivierte Gewalt gegen Privatpersonen, Medien(vertreter), öffentliche Sicherheitsorgane und deren Personal eignen». Den Tätern komme es auf «möglichst hohe Opferzahlen und ein Maximum an infrastrukturellem und wirtschaftlichem Schaden» an.

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