Auch nach der Eröffnung des Strafverfahrens gegen den einst allmächtigen Fifa-Präsidenten Sepp Blatter klebt dieser wie festgewachsen auf seinem Stuhl. Die Ethikkommission der Fifa, die den 79-jährigen Schweizer und den ebenfalls im Zwielicht stehenden Uefa-Chef Michel Platini aus dem Verkehr ziehen könnte, tut sich mit einer schnellen Entscheidung offensichtlich schwer.
«In der Privatwirtschaft zieht man in einer solchen Situation sofort Konsequenzen. Wir haben es gerade bei Volkswagen gesehen, wo der Chef gegangen ist, obwohl der Nachweis bislang noch nicht wirklich erbracht ist», sagte der frühere Fifa-Reformer und -Insider Mark Pieth in einem Interview mit SRF. «Im Fussball hat man da offenbar Schwierigkeiten, direkt zu reagieren. Die FIFA ist eine Organisation, die sich selbst über dem Recht gewähnt hat.»
Ethikkommission ermittelt offenbar
Nach Informationen des Sport-Informationsdienstes (SID) hat die zuständige Untersuchungskammer ihre Ermittlungen zwar unmittelbar nach dem «Blatter-Beben» am vergangenen Freitag aufgenommen – eine mögliche «Schutzsperre» gegen Blatter oder Platini wurde bislang aber nicht ausgesprochen. Bleibt es dabei, scheinen die vorliegenden Beweise der Schweizer Bundesanwaltschaft nicht wasserdicht genug zu sein.
Die Behörden hatten das Verfahren gegen den Blatter wegen des «Verdachts der ungetreuen Geschäftsbesorgung sowie – eventualiter – wegen Veruntreuung» eröffnet. Blatter wurde als Beschuldigter vernommen. Für beide Vergehen ist eine Haftstrafe möglich. Mehr zu den Vorwürfen.
«Es kann sein, dass die Fifa zerschlagen wird»
Welche Folgen die jüngsten Ereignisse für den Weltfussball-Verband haben werden, ist noch unklar. «Es kann sein, dass die Fifa völlig zerschlagen wird oder zerschlagen werden muss», sagte der frühere Fifa-Mediendirektor Guido Tognoni in einem Interview mit dem ZDF. «Das liegt nicht mehr in der Hand der Fifa, sondern in der Hand des amerikanischen Justizministeriums und der Schweizer Bundesanwaltschaft.»
Fallen Blatter und Platini, wird die Suche nach Nachfolgern zur Mammutaufgabe. Statuarisch würden die jeweiligen Vizepräsidenten ad interim übernehmen. Ob aber der gesundheitlich angeschlagene Issa Hayatou (Fifa) oder Ángel María Villar (Uefa/Spanien) die Richtigen sind, um den Schmutz aufzukehren, ist höchst fragwürdig. Vor allem der Name des Kameruners tauchte im Laufe der Jahre immer wieder in Verbindung mit den zahlreichen Fifa-Skandalen auf.
Weitere Kandidaten sind nicht in Sicht – durch Platinis Verwicklung fehlt plötzlich auch der grosse Favorit bei der für den 26. Februar 2016 angesetzten Wahl des Blatter-Nachfolgers. Blatter wollte dort trotz des erschütternden Skandals als Reformer abtreten. Der Termin steht jetzt freilich auf der Kippe.