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Ein Junge im Fussballtenue (Messi-T-Shirt) steht in einem Türrahmen, links an der Wand ein aufgemaltes Fussballfeld.
Legende: Die Kleinsten sollen die Grössten werden. Und wer sich verletzt, wird heimgeschickt. Keystone

International Kinderhandel im Fussball – und alle spielen mit

Fussballvereine angeln sich Jungtalente oft schon im Kindergartenalter. Real Madrid kaufte kürzlich einen 8-Jährigen aus Argentinien. Und Manchester United verpflichtete einen 5-Jährigen aus der eigenen Stadt.

Das Geschäft, aus Kindern künftige Fussballstars zu machen, wächst. Die in Mexiko lebende Journalistin Sandra Weiss beobachtet diese Entwicklung mit Sorge.

SRF: Weshalb nimmt diese Art von Kinderhandel zu?

Sandra Weiss: Das hat einerseits mit der Kommerzialisierung des Sports zu tun. Fussballtalente sind Waren, in die man investiert. Das ist ein bisschen so wie an der Börse. Andererseits liegt es auch an Lionel Messi: Er war der Pionier. Der FC Barcelona hatte ihn sehr jung gekauft. Er war damals 13 Jahre alt. Der Verein versprach, ihm eine Hormonbehandlung zu zahlen, denn Messi war sehr klein. Er musste noch wachsen, damit er ein guter Fussballer wird. Diese Investition hat sich extrem gelohnt: Mit 17 spielte Messi bereits das erste Erstligaspiel. Kurz darauf war er schon über eine Million Euro wert. Heute liegt sein Marktwert bei etwa 400 Millionen Euro. Das ist ein riesiges Geschäft – besser als Lottospielen und Börsenspekulation.

Wie funktioniert denn dieser Handel?

Es gibt verschiedene Möglichkeiten: Zum Beispiel veranstalten die grossen europäischen Clubs Jugendturniere in Lateinamerika und suchen dabei gezielt nach Talenten. Real Madrid kam vor ein paar Jahren auf die Idee, mit einem argentinischen Fernsehsender eine Reality Show zu machen. Da wurde aus Tausenden von Jugendlichen ein Gewinner ausgesucht, der dann bei Real Madrid vorspielen durfte. Dieser Junge war 16 Jahre alt, verletzte sich beim Vorspielen und wurde natürlich sofort wieder nachhause geschickt.

Welche Rolle spielen die Eltern?

Sie stehen am Spielfeldrand und warten nur darauf, dass irgendwer ihnen ihr Kind «abkauft». Das ist ein Traum, den vor allem die Väter haben. Sie selbst haben es nicht geschafft und wollen, dass ihre Söhne im Fussball gross werden. Das funktioniert, weil die meisten dieser Kinder aus ärmlichen Verhältnissen stammen. Dieser Wunsch ist auch wirklich real. Es gibt solche Fälle. Es gibt Neymar und verschiedene andere Jungs, die in Slums gross geworden sind. Insofern lassen sich diese Eltern leicht überreden. Für sie gibt es oft auch keine andere Chance auf sozialen Aufstieg.

Das ist ein riesiges Geschäft – besser als Lottospielen und Börsenspekulation.
Autor: Sandra Weiss Journalistin

Einen Schutz für diese Kinder gibt es nicht?

Es gibt schon internationale Kinderschutzkonventionen. Und Kinderarbeit ist ja eigentlich auch verboten. Aber der Sport hat eine gewisse Sonderstellung. Das gilt nicht als Arbeit, sondern als Spiel. Das Ganze spielt sich in einer Grauzone ab. Die Abmachungen mit den Agenten sind meist mündlich und damit schwer nachzuweisen. Und schliesslich sind ja alle einverstanden damit. Die Kinder, die Eltern, die Clubs – jeder spielt mit. Wer ist da der Ankläger?

Auch die Fifa scheint nicht viel zu unternehmen...

Die Fifa hat internationale Transfers von Minderjährigen verboten. Erst ab 16 Jahren dürfen sie Verträge abschliessen. Aber daran hält sich natürlich keiner, nicht einmal die Agenten der Fifa selbst. Aber es kam in den letzten Jahren viel Dreck im Fussball hoch. Und zwar nicht nur Kinderhandel, sondern auch Geldwäscherei, der Einfluss der asiatischen Wettmafia und so weiter. Das haben die Justizbehörden der verschiedenen Länder aufgedeckt. Deshalb ist der Druck auf die Fifa gewachsen. Sie hat jetzt eine Ethikkommission. Aber die Reichweite der Kommission ist sehr gering. Man hat auch den Eindruck, dass sie nicht wirklich etwas tun will. Sie hat neulich den FC Barcelona wegen illegalen Kindertransfers mit einer Geldstrafe belegt. Die wurde dann aber später wieder aufgehoben. Die Fifa sollte mehr unternehmen.

Das Gespräch führte Daniel Eisner.

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