In vier Monaten finden in Polen Parlamentswahlen statt. Der regierenden Bürgerplattform droht eine Niederlage. Nun hat Ministerpräsidentin Ewa Kopacz drei Minister und den Parlamentspräsidenten zum Rücktritt veranlasst. So will sie das schwindende Vertrauen in die Regierung wiederherstellen.
Der Vertrauensverlust geht unter anderem auf eine Abhöraffäre zurück, die bereits vor einem Jahr bekannt wurde. Die nun zurückgetretenen Politiker waren alle darin verwickelt: Finanzminister Wlodzimierz Karpinski, Gesundheitsminister Bartosz Arlukowicz, Sportminister Andrzej Biernat sowie der frühere Aussenminister und heutige Parlamentspräsident Radoslaw Sikorski. Auch Kopacz Chefberater, der ehemalige Finanzminister Jacek Rostowski, gibt seinen Posten auf.
Sikorski äussert sich abschätzig über USA
Abgehört wurden damals Gespräche von Politikern und Geschäftsleuten in Warschauer Restaurants. Das Magazin «Wprost» machte sie öffentlich. Der Inhalt: Angebliche Geheimabsprachen und taktlose Äusserungen über andere Politiker und Staaten.
In den Gesprächsauszügen bezeichnet beispielsweise Sikorski das Verhältnis zu den USA als wertlos: «Es ist ausgesprochen schädlich, weil es ein falsches Gefühl der Sicherheit vermittelt.» Das sei kompletter Blödsinn. Und weiter: «Wir geraten in Konflikt mit den Deutschen und Russen und wir glauben, dass alles super ist, nur weil wir den Amerikanern einen geblasen haben. Versager. Komplette Versager», wurde Sikorski zitiert. Damals amtete er als Aussenminister.
Im Zusammenhang mit der Affäre waren ein Restaurantmanager, mehrere Kellner und weitere Beteiligte angeklagt worden. Sie sollen beim Abhören geholfen haben.
Weitere Auszüge aufgetaucht
Am Dienstag waren nun weitere Mitschriften der Lauschangriffe im Internet aufgetaucht, die den Fall wieder in die Öffentlichkeit brachten. Ein polnischer Geschäftsmann hatte auf seiner Facebookseite 250 Aufnahmen der Ermittlungsakten veröffentlicht. Laut seinen Angaben befanden sich diese seit zwei Wochen auf einem chinesischen Server.
Die polnische Staatsanwaltschaft nahm noch am gleichen Tag Ermittlungen auf, um die Umstände der Aktenweitergabe zu klären. Die veröffentlichten Aufnahmen sind inzwischen nicht mehr zugänglich.